Guerilla Gardening

OIPRRRGirasol 829, ein (anonym bleiben wollender) Guerilla-Gärtner aus Brüssel, erklärte den 1. Mai im Jahr 2007 zum Sonnenblumen-Tag, und man könnte das beibehalten. Sonnenblumen wachsen schnell und werden groß; rein mit den Samen und dann weg, gelobt sei das Guerilla Gardening, das Richard Reynolds hier mit einem Prachtexemplar vertritt.

1268742909_80.177.117.97Es geht um ein Buch mit dem obigen Titel, das ich meinem Neffen zum Geburtstag schenken wollte, weil er sich ein Gartengrundstück besorgt hat. Ich wollte das Buch rasch durchlesen, bevor ich es ihm schenke. 2009 hat es Orange Press (früher Freiburg, jetzt schon länger Berlin) gemacht, und seither hat es 4 Auflagen erlebt, das ist selten. Richard Reynolds ist der englische Autor, heute 46 Jahre alt (links vor 10 Jahren). Angefangen hatte er 2004 vor dem Hausungetüm im Londoner Viertel Elephant & Castle, in dem er wohnte.

England, das passt. Die Bewohner des Mutterland des Fußballs, der Beatles und der Stones sind bekannt für ihren feinen und eigenwilligen Humor, und auf der Insel gab es immer eine starke Gegenkultur, die mehr mit Zeichen und Symbolen als mit Gewalt agierte.

Zitieren wir ein paar Sätze.

Guerilla Gardening ist eine ökologische Bewegung. Wie ein lebender Organismus reagiert sie auf ihre Umwelt und wächst überall dort, wo sie auf günstige Bedingungen trifft. Das Phänomen Guerilla Gardening breitet sich aus wie Samen, der von einem Feld aufs nächste geweht wird, es passt sich seiner lokalen Umgebung an und entwickelt dabei neue Eigenschaften, ganz wie eine neue Pflanzenart. 

Das Wort Guerilla wurde erstmals 1808 verwendet: für die geheimen Kämpfer Spaniens gegen Napoleons Armee. Da steckt natürlich das Wort guerra drin, der Krieg, und im Englischen heißt es Guerrilla Gardening. (Gorilla-Gärtner klänge auch schön.) Der angeblich erste G-G nannte sich Gerrard (schon mal gut) Winstanley und »rodete« am 1. April 1649 ein Grundstück mit Heidekraut, indem er mit seinen Freunden es in Brand setzte, um es für die Aussaat vorzubereiten. Es herrschte Hunger, und der Anbau war dort verboten. Aber eigentlich war das Guerilla Cultivating.

002Guerilla Gardening jedenfalls ist illegal (sonst wär’s Gartenarbeit) und will hässliche Gegenden verschönern, dem Mangel an Grün in Städten und der Verwahrlosung von Arealen entgegenwirken. (Der Müll muss auch weg.) Die Guerilleros erhielten im Buch einen Namen bestehend aus ihrem Vornamen mit einer Zahl. (Ich würde mich Mani 112 nennen.) — Ryan 190 verschönerte die Blumenbeete rund um seine Schule in Singapur, Sam 2798 möbelte den kleinen Park vor einem Kurhaus in Chicago auf, Angela 2585 setzte Lavendel und einen Bux in eine Mailänder Verkehrsinsel, und Ava 949 schuf einen blühenden 10 Meilen langen Streifen in San Diego (indem sie Samen aus dem Auto warf). — Es gibt übrigens einen, der sich Anarchitekt nennt. Das ist genial!

In Afrika ist man um Nahrung froh. Auf manchem Mittelstreifen von Schnellstraßen in Nairobi (Kenia) gibt es Mini-Maisfelder, ud Mama Afufa 3187 in Kogome (Uganda) sowie Nkagisang 7229 in Botswana bepflanzten verwahrloste Brachflächen. — Wir in ländlichen Gegenden Mitteleuropas müssen nicht klagen (obwohl neue Einfamilienhäuser ohne Not mit grauen Steinflächen »verwüstet« werden), doch leben mittlerweile 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Von der schlechten Luft haben wir gehört. Sie fordert Opfer, und Grün wäre ein Mittel dagegen.

Nun noch drei hübsche Zitate aus Guerilla Gardening:

Ein anonymer Guerilla-Gärtner pflanzte heimlich 3.400 Marihuana-Setzlinge (Cannabis sativa subsp. indica) entlang des Flussufers im Carmel Valley (Kalifornien) — auf ein Gelände, das zu den riesigen Besitzungen des Medienmoguls Rupert Murdoch gehört. … Etwas weniger professionell, dafür aber umso unverhohlener wurde der Drogenanbau im malerischen Tübingen betrieben. Maria 888 pflanzte ihre Cannabis-Setzlinge über die ganze Stadt verteilt mitten in den farbenfrohen Blumenschmuck der Stadtgärtnerei. Sie überlebten die regelmäßigen Rundgänge der Amtsgärtner ohne Weiteres und wuchsen zu prächtigen Pflanzen heran.

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Ich kenne zwei Guerilla-Gärtner, die Unkraut geradezu feiern. Sie lassen es nicht nur ungeschoren davonkommen, sie ziehen es sogar auf. Heather 1986 betrachtet Unkrautpflanzen als Verfolgte, die eine sichere Zuflucht brauchen. Ihre Unkrautdefinition lautet deshalb »Pflanzen auf Abwegen«, die nur scheinbar (nämlich in Auge des Betrachters) am falschen Platz wachsen. 

Bertolt Brecht hat das Gedicht Vom Sprengen des Gartens geschrieben und darin gemahnt:

Und übersieh mir nicht
Zwischen den Blumen das Unkraut, das auch
Durst hat …
Auch den nackten Boden erfrische du.

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015028Du brauchst ein Fortbewegungsmittel … Und du brauchst ein Transportmittel … Mit einem Fahrrad bist du fast so beweglich wie zu Fuß, außerdem kannst du dich damit schnell aus dem Staub machen. Kleine Werkzeuge und Pflanzen passen gut in Radtaschen und -körbe, diese solltest du vorher mit alten Plastiktüten auslegen, damt nichts heraustropft und du keine Dreckspur hinterlässt. Große Geräte lassen sich am Rahmen festbinden wie der Spaten, den Andrew 1679 so durch London transportiert. In einem Film habe ich gesehen, wie Guerilla-Gärtner riesige Hainbuchen (Carpinus caroliniana) in Fahrradanhängern rings um San Francisco spazieren fuhren. 

 

 

 

 

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