Das geborgte Licht

In dem Buch Die Alchemie der Verwandlung (Freiburg, 1983) spricht Bhagwan Shree Rajneesh (1931-1990; ab 1988 nannte er sich Osho) über jüdische Mystik. Es sind Mitschriften seiner vormittäglichen Ansprachen oder Erörterungen. In Buddhas Sterben geht es vor allem um den Lieblingsjünger Buddhas, Ananda, der nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll — und um Trauer und Selbstfindung. Und es ereignet sich eine Neugeburt! 

buda_7Buddha lag im Sterben.
Vierzig Jahre zog er herum mit einem Licht,
und tausende folgten ihm.
Nun sollte er sterben.

Eines Morgens sagte er: Dies ist mein letzter Tag.
Wenn ihr etwas zu fragen habt, so fragt.

Der Augenblick war gekommen, der Scheideweg war da.
Nun ging er seinen eigenen Weg.

Plötzlich waren alle von unendlicher Dunkelheit umgeben.
Anand, Buddhas Hauptjünger,
fing an zu weinen wie ein Kind.
Er schlug auf sein Herz, die Tränen flossen herunter —
fast wahnsinnig.

Buddha sagte: Was machst du, Anand?
Anand sagte: Was sollen wir jetzt machen?
Du warst hier, und wir folgten in deinem Licht.
Alles war sicher und geschützt.
Ananda-350x271Wir haben völlig vergessen, dass es Dunkelheit gibt.
Wir brauchten dir nur zu folgen, und alles war hell.
Vierzig Jahre lang, und nun gehst du.
Du lässt uns in tiefster Dunkelheit zurück.
Wir waren besser daran, bevor wir dich trafen,
denn wenigstens waren wir an die Dunkelheit gewöhnt;
jetzt ist diese Vertrautheit auch dahin.
Lass uns nicht in Dunkelheit zurück.
Wir konnten die Erleuchtung nicht finden,
während du hier warst.
Und wenn du jetzt gehst, was dann?
Wir sind verloren für immer.
Er begann wieder zu weinen und zu schluchzen.

buddha-disciples-paintingBuddha sagte: Hör zu.
Vierzig Jahre bist du in meinem Licht gegangen,
und du konntest nicht zu einem eigenen Licht finden.
Denkst du, wenn ich noch vierzig Jahre länger lebte,
würdest du zu deinem eigenen Licht finden?
Oder selbst nach viertausend oder viermillionen Jahren?
Je länger du in geborgtem Licht gehst,
je mehr ahmst du nach, umso mehr verlierst du.
Es ist besser, ich geh.

Die letzten Worte von Buddhas Lippen waren:
Sei dir selbst ein Licht.
Er starb mit diesen Worten.
Appo deepo bhava.

Die Geschichte ist schön.
Am nächsten Tag wurde Anand erleuchtet.
Vierzig Jahre lang konnte er nicht erleuchtet werden,
und er liebte Buddha über alles.
Er war fast zu einem Schatten von ihm geworden,
und er blieb unerleuchtet.
Das geborgte Licht: er verließ sich zu sehr darauf.

Und es war so schön und so mühelos zu haben —
wer macht sich da noch andere Sorgen?

Und binnen vierundzwanzig Stunden wurde er erleuchtet.
Was geschah?

Sick-monk-with-Buddha-and-AnandaVierundzwanzig Stunden tiefen Schmerzes:
und Auge in Auge mit der Dunkelheit
und der Wirklichkeit
und seiner eigenen Hilflosigkeit.
Jene vierundzwanzig Stunden müssen sehr lang gewesen sein für ihn.
Es war die dunkelste Zeit, schmerzvolles tiefes Leid und Todesqual.
Durch diese Hölle ging er.
Es heißt, er lag vierundzwanzig Stunden lang
unter einem Baum wie tot,
zitternd am ganzen Körper, die Tränen flossen unentwegt.
Die Leute glaubten, er sei verrückt geworden,
oder er könne nicht überleben ohne Buddha.

Aber nach vierundzwanzig Stunden
war er ein völlig anderer Mensch.
Er öffnete seine Augen und niemand konnte es glauben.
Diese Augen hatten den gleichen Glanz wie Buddhas Augen.
Sein Körper hatte die gleiche Schönheit, den gleichen Duft.
Er ging wie Buddha.
Er hatte zu seinem eigenen Licht gefunden.

Der Rabbi von Rizhyn erwiderte:
Das ist wie wenn jemand
in dunkler Nacht durch
den Wald geht,
und für eine Strecke Wegs
begleitet ihn ein anderer,
der eine Lampe hat.
An der Wegkreuzung aber trennen
sie sich, und
der erste muss jetzt allein weitertappen.
Aber wenn einer
sein eigenes Licht mit sich trägt,
braucht er sich vor keiner
Dunkelheit zu fürchten.

Übersetzt von Swami Deva Amiya.

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