Maria die Alchemistin

Marienmonat Mai. Da entdeckte ich doch die Existenz einer frühen Alchemistin: Maria, auch genannt Maria die Jüdin. Von ihr weiß man wenig, aber das Wenige soll seinen Weg finden. Ob man sie als Begründerin der Alchemie bezeichnen kann, wie dies Wikipedia tut, ist zweifelhaft; immerhin wird sie als die viertälteste berühmteste Chemikerin genannt, das ist eine Auszeichnung.

Mary_the_jewess_by_Michael_MaierIn der Liste steht am Anfang eine gewisse Tapputi als erste Chemikerin der Welt, 1200 vor Christus; das ist bemerkenswert. Unsere Maria wird wohl im zweiten nachchristlichen Jahrhundert gelebt haben, und zwar in Alexandria (heute Ägypten) wie 200 Jahre später die kluge, unglückliche Philosophin Hypatia. Links sehen wir ein Bildnis von Maria der Jüdin, das Michael Maier 1617 in einem Buch veröffentlichte. Wir erfuhren von ihr hauptsächlich durch Zosimos aus Panopolis (spätes drittes Jahrhundert), der viel aus ihrem Nachlass zitierte.

In dem Beitrag über Hypatia habe ich auch den wunderbaren Beginn des Gedichts Ungarettis über seine Heimatstadt zitiert:

Alexandria-Day-TripsIch sah dich, Alessandria,
bröckelnd auf deinen gespensterhaften Fundamenten,
und du wurdest mir Erinnerung
in einer Umarmung, aufgehoben im Licht.

Alexandria, heute eine 5-Millionen-Stadt, wird von Helmut Gebelein »Mutter der Alchemie« genannt. Die 330 vor Christus gegründete Siedlung schwang sich auf und besaß später eine Bibliothek mit 900.000 Schriftrollen. Die Christen, die auch Hypatia verfolgten und zur Strecke brachten, hatten kein Interesse an den Büchern und ließen die Bibliothek verkommen.

Maria die Alchemistin entwickelte das Aschenbad, einen mit Asche gefüllten Behälter, den man erhitzt und in den man Gläser mit IMG_2154Substanzen stellt. Die Alchemisten hatten die prima materia, die sie behandelten. Solve et coagula, hieß es: Löse auf und vereine neu. Also kochen und vielmals behandeln, den Stoff. Die drei Substanzen waren Merkur (beweglich), Schwefel (wenig beweglich) und Sal (Salz). Der Merkur entsprach dem Geist, der Schwefel der Seele, das Salz dem Körper. Von den beiden Seelenteilen alter Völker war stets einer beweglich, der andere eher starr — wie Merkur/Schwefel und Ba/Ka bei den Ägyptern: Geist (beweglich, Feuer und Luft) mit Seele (unbeweglich, Wasser). Aus beiden sollte ein Drittes entstehen, der Hermaphrodit (oder Gold), und das begleitet von der Farbe rot.

Maria die Alchemistin kannte vier Farben: weiß, schwarz, gelb und rot. Im Koch-Prozess begann es mit Weiß, dann entstand Nigredo (schwarz), ferner war die Übergangsfarbe gelb zu beobachten, bevor das Rot überhandnahm: die Farbe der Liebe.

Maria ist auch für einen Spruch bekannt:

Die Eins wird zu Zwei, die Zwei zu Drei und aus dem Dritten wird das Eine als Viertes.

Schwierig. Über Trinität und Quaternität haben wir schon gesprochen, Maria ergänzte die christliche Dreifaltigkeit. Aus dem unendlichen Einen entstand das Zweite — Mann und Frau, Yin und Yang —, deren Vereinigung ein Drittes hervorbrachte — das Kind, den Erlöser, den androgynen Menschen (der Mann und Frau gleichzeitig ist), die »zehntausend Dinge« der Chinesen —, und dieses Dritte ist wiederum nur Übergang und muss veredelt werden zu Gold und dem symbolischen Endzustand, der wiederum auf das Eine zurückverweist, also zu Gott zurückbringt. Angelus Silesius schrieb:

Der Sohn ist die Tinktur, die Gold macht und verklärt.

mittelalterlicher-alchemist-33765857Die Alchemisten arbeiteten am »Großen Werk«, und das Goldmachen war nur Nebeneffekt; der »kochende« Mensch würde sich während der Arbeit verwandeln, sich reinigen und der Erlösung würdig erweisen.

Ob das alles richtig ist, weiß ich nicht; es gibt aber noch ein Fragment über Maria, die dort die Prophetin genannt wird. Daraus will ich noch kurz zitieren, auch wenn das meiste in dem Text dunkel bleibt und für uns zu schwierig ist.

Aros, der Philosoph, hatte ein Treffen mit Maria der Prophetin, und er näherte sich ihr, grüßte sie respektvoll und sprach sie an: »O Prophetin, ich habe viele von dir sagen hören, dass du den Stein an einem Tag weiß machst.« Maria antwortete und sagte: »Ja, sogar in einem Teil eines Tages. … Hermes sagte in all seinen Büchern, dass die Philosophen den Stein in einer Stunde des Tages weiß machen.«

Dann legt sie ihm eine höchst komplizierte Prozedur auseinander, die wir uns hier ersparen wollen. Am Ende erklärt sie:

Ich schwöre dir beim ewigen Gott, dass jenes Gift, wenn es aufgelöst ist und zu einem hauchfeinen Wasser geworden ist, … Merkur mit Luna vermählt mit der Stärke der Wahrheit, und er fällt auf den Thron Jupiters und formt ihn zu Luna …, und die das nicht wissen, kennen nicht die Herrschaft der Wahrheit, weil sie das Gefäß des Hermes nicht kennen. 

Maria ließ ganz kurz etwas ertönen,
dies und das, sie ließ auch Donner dröhnen.
(…)
Drei Stunden Zeit, drei Dinge muss
IMG_0404und kann sie aneinanderketten dann am Schluss.
Maria, das Licht des Taus und die Kunst noch dazu:
In drei Stunden macht sie den Knoten zu.
Plutos Tochter — es ist sie, die zur Stund
besiegelt der ewigen Liebe Bund.
Mit drei Samen verseh’n, geht sie hinein
ins Feuer, um erlöst und verklärt zu sein.

 

 

 

 

 

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