Heilserwartung

Ich habe mal wieder die letzte Seite der Bibel gelesen — nach 1400 Seiten das Große Finale … Das ist natürlich genauso wichtig wie der Beginn, wo die Götter (Elohim) Himmel und Erde erschufen. Wir lesen den Schluss und denken ein wenig darüber nach.

Ostern ist ja vorbei, und am größten Feiertag, dem Ostersonntag, las ich kurz, was mein Schott von 1938 sagt. Er sagt:

Ostern ist das Fest der Erlösung, eine Vorstufe zur ewigen Erlösung, zum ewigen Ostern.

DSCN1711Vorher hieß es, Jesus Christus habe an diesem Tag Sünde und Tod besiegt. Gut, er ist auferstanden. Wir werden auch auferstehen, doch das will uns die Kirche nicht sofort zugestehen. Ich denke mir, Erlösung ist etwas Endgültiges: Du bist erlöst und damit durch. Nun ist Ostern aber nur eine Vorstufe zur Erlösung; und jedes Jahr warten sie, die Gläubigen, auf die Geburt des Herrn, dann leiden sie mit ihm mit und freuen sich über die Auferstehung und erleben die Vorstufe der Erlösung, und so geht das Jahr für Jahr weiter, ohne dass sich etwas ändert. Damit haben sich die Christen fast 2000 Jahre abspeisen lassen. Aber Religion ist eben etwas, an das man glaubt oder das man sich einschenken lässt.

DSCN3137Die Offenbarung des Johannes, die Apokalypse, wurde 100 Jahre nach Christi Geburt geschrieben. Schon damals dachten die Frühchristen, der Herr werde bald kommen, das Heil werde sich einstellen, das Endgericht stattfinden. Sie hatten allen Grund dazu, denn das letzte Stück, der Anhang Zeugnis und abschließende Mahnung des Sehers (Johannes), lautet so:

Und der Engel sagte zu mir: Diese Worte sind zuverlässig und wahr. Gott, der Herr über den Geist der Propheten, hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss
Siehe, ich komme bald. Selig, wer an den prophetischen Worten dieses Buches festhält.
Ich, Johannes, habe dies gehört und gesehen. Und als ich es hörte und sah, fiel ich dem Engel, der mir dies gezeigt hatte, zu Füßen, um ihn anzubeten. Da sagte er zu mir: tu das nicht! Ich bin nur ein Knecht wie du und deine Brüder, die Propheten und wie alle, die sich an die Worte dieses Buches halten. Gott bete an!
Und er sagte zu mir: Versiegle dieses Buch mit seinen prophetischen Worten nicht! Denn die Zeit ist nahe. Wer Unrecht tut, tue weiter Unrecht, der Unreine bleibe unrein, der Gerechte handle weiter gerecht, und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit. Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht.

Mexico 041Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können. Draußen bleiben die »Hunde« und die Zauberer, die Unzüchtigen und die Mörder, die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut. 
Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. 
Der Geist und die Braut aber sagen:; Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens.
Ich bezeuge jedem, der die prophetischen Worte dieses Buches hört: Wer etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. Und wer etwas wegnimmt von den prophetischen Worten dieses Buches, dem wird Gott seinen Anteil am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt wegnehmen, von denen in diesem Buch geschrieben steht.
Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. — / Amen. Komm, Herr Jesus!
Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!

Diesmal sind die Hervorhebungen so in meiner Bibel (Herder, Stuttgart, 1980). — Das ist ja völlig klar: Siehe, ich komme bald. — Denn die Zeit ist nahe. — Ja, ich komme bald.

Bald ist natürlich ein dehnbarer Begriff, und wie dehnbar, begreifen wir, wenn wir realisieren, dass seither über 1900 Jahre vergangen sind. Der Herr ist noch nicht gekommen. Immer wieder gab es Endzeitpropheten, die Menschen in Panik versetzt haben, doch auch sie haben sich geirrt. Vielleicht hatten wir den falschen Blickwinkel: unseren. Frau Krüger, mit der ich mich in den vergangenen Monaten so gut im Pflegeheim unterhalten habe, hatte die richtige Bemerkung dazu:

Dort drüben sind doch 1000 Jahre wie ein Tag!

Also warten wir eben noch einen Tag und noch einen. Wir sind einfach zu ungeduldig. Und beschränkt. Immer wieder ist es unfassbar zu lesen, wieviele Galaxien und Sterne es gibt neben unserem Sternlein in einem Randgebiet unserer Galaxie.

Unsere Gesellschaft hat die Heilserwartung (oder Teleologie: das Zielgerichtete) der Religion übernommen. Alle reden sie von der Zukunft, ohne sie zu präzisieren. Vielleicht mehr Technik, weniger Arbeit, viel Vergnügen … alles soll besser werden, aber eigentlich wissen sie auch nicht so recht, wie das Heil ausschauen könnte, weil auf dem schwierigen, konsumbefrachteten Weg die Werte verlorengegangen sind.

Sehr bald kommt das Heil jedenfalls zur Einzelseele, — wenn sie ihren Körper zurücklässt. Nach dem Tod. Von unseren Testpiloten wissen wir das. Jeder Mensch ist eine Welt. Ein jeder schaue zunächst auf sich und schone als nächstes den Mitmenschen und die Umwelt. Dann ist er vorbereitet für das, was kommen mag und kommen wird.

 

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