Tod und Jenseits in christlicher Kunst
Daniela Hammer-Tugendhat, Honorarprofessorin in Wien, schrieb 2014 in dem Band Vorstellungskraft den Beitrag Todes- und Jenseitsimaginationen in der christlichen Kunst. Klingt schwierig, doch erhellend ist es dann, was die Kunstgeschichtlerin über zwei Bilder holländischer Maler aus dem 16. Jahrhundert weiß.
Der Artikel beginnt so:
Die christliche Theologie hat im Unterschied zum Judentum und zur griechisch-römischen Antike den Sinn des Lebens nicht im Diesseits, sondern im Jenseits verortet. Erstmals hat eine Religion das Weiterleben nach dem Tode als Glaubenstatsache konstituiert. (…) Das Jenseits wurde systematisiert. Es ist von hoher Relevanz, wie die christliche Theologie diesen leeren Raum, der unberührt von jeglicher menschlicher Erfahrung ist, gefüllt hat.
Als Glaubenstatsache konstituierte das Jenseits Augustinus zwischen 413 und 426 in seinem Buch Der Gottesstaat. Bei ihm ist die schlimmste Sünde der Unglaube. Etwas um des Guten willen zu tun und nicht um des Glaubens willen, ist nicht gut. Da hat Frau Hammer-Tugendhat recht: Was ist das für eine Ethik? Das Jenseits wurde durch Höllenvisionen und Predigten den Leuten vor Augen gestellt. Das Paradies war höchste Ordnung, die Hölle Chaos, Unordnung und Dynamik: so wie das Leben.
Die Kunsthistorikerin wählte zwei Gemälde aus der niederländischen Renaissance aus. Pieter Bruegel der Ältere (1525-1569) malte 1562 das Bild Triumph des Todes, und sie nennt es Der Tod ohne Jenseits und schreibt:
Der Herr des Geschehens ist der Tod, nicht Gott.
Dieser Tod kommt überraschend und gewaltsam und mäht die Menschen nieder, die eigentlich nicht sterben wollen. Es gibt keine Zeit, nur die Gewalt des Todes, der auch zu einer verödeten Landschaft führt, wie wir in der oberen Hälfte des Bildes sehen. Die untere ist angefüllt mit schrecklicehen Todesarten, und sogar die griechischen Schicksalsgöttinnen kommen unter die Räder. Damals lebte man im Bann des Todes, der früh kam, und ans Jenseits glaubte man nicht so recht.
Jan Vermeer lebte nur von 1632 bis 1675. Er zeigt auf seinem Bild Die Frau mit der Waage, von dem wir rechts den zentralen Ausschnitt sehen, im Hintergrund ein Bild im Bild: eine Darstellung des Höllensturzes und des Jüngsten Gerichts. Bei näherer Untersuchung fand man, dass die Waagschalen leer sind. Es handelt sich also nicht um die Frau als Bild der Eitelkeit.
Daniela Hammer-Tugendhat hebt hervor, dass der Vordergrund das geordnete Diesseits zeige in dieser Ruhe der Vermeerschen Bilder — im Gegensatz zum Jüngsten Gericht, das nur ein Bild im Bild sei und von dem lediglich der Rahmen beleuchtet werde: Es zeige also, in welchem Rahmen wir denken, dass die Hölle eine Erfindung des Menschen sei; und wir vergessen dabei nicht, dass das 17. Jahrhundert sehr rationalistisch war und Descartes verehrt wurde.