Ihr Geist kam nicht
Der Dramatiker Franz Grillparzer (1791-1872) hatte Umgang mit der jungen Frau von P., die erkrankte und dann starb. Aus ihrem Testament ging hervor, dass sie Grillparzer geliebt hatte. Da sie ihm nach dem Tod nicht erschien, schloss der Autor, etwas wie ein Jenseits gebe es wohl nicht. Ein reiner Kurzschluss.
Grillparzer hat die Erfahrung auf fünf Seiten unter dem Titel Ein Erlebnis dargestellt. Ich weiß nicht, warum er sich darin so unsympathisch darstellt. Jedenfalls, kurz gesagt, er hatte nichts für Frau von P. übrig. In ihrem Testament appellierte sie an ihre Mutter, dem Franz alles Gute zukommen zu lassen, ihn in die Familie aufzunehmen, und wie reagierte Grillparzer?
… das alles ward mir angeboten, und ich? kalt, zerstreut hörte ich das alles an, schlug aus, lehnte ab, spielte ein wenig Komödie, ward aber keiner Träne Meister und war froh, als ich wieder gehen konnte.
Angegriffen hat es mich wohl , aber, weil ich sonst die Frau in ihrem Empfindungen etwas geziert und outriert gekannt habe, so konnte ich doch eines unangenehmen Gefühls nicht los werden …
Und nun das Resumé des Dramatikers:
Verständige Männer haben es nicht für schlechthin unmöglich gehalten, dass Abgeschiedene nach ihrem Tode den Rückgebliebenen erscheinen können. Ich habe an dem Gegenteile wohl nie im Ernste gezweifelt, halte es aber jetzt für apodiktisch unmöglich. Denn wäre es möglich, Marie P. würde mir gewiss erschienen sein.
Für ihn war der Fall klar. In seiner Ichbezogenheit meinte Grillparzer, die Dame müsste den Drang gehabt haben, als Geist zu ihm zu kommen. Wenn es möglich wäre, dann wäre sie wohl gekommen.
Aber: Würden wir jemanden besuchen wollen, der keine Gefühle für uns übrig hat? Der unsere Wohltaten ablehnt und uns für »geziert« hält? Wenn Grillparzer zu Lebzeiten nichts von Marie wollte, hatte es keinen Sinn, ihn aufzusuchen; er hatte es nicht verdient, der alte Stinkstiefel.
Es kommt vor, dass verstorbene Ehepartner sich zeigen, wenn der zurückgebliebene sehr leidet. Eine Frau im Pflegeheim hat das erlebt. Ihr Mann erschien ihr und sagte: »Du, wein‘ nicht, mir geht es gut.« Es kann auch andere Gründe geben, warum ein Verstorbener nicht kommt. Ich hatte auch noch nie eine Erscheinung; und doch weiß ich, dass die Toten weiterleben. Kontakt mit der Erdenwelt ist obendrein schwierig. Die Toten sind gleich nach ihrem Abschied sehr aktiv; doch dann kann es Jahre dauern, bis sie wieder etwas von sich hören lssen. Sie müssen sich erst eingewöhnen.
Es ist überhaupt unmöglich, zu beweisen, dass es etwas nicht gibt. Stellen wir uns vor, jemand sagt um das Jahr 1250 einem Bürger, es gebe da ein weit entferntes Land mit Büffeln und Pferden, groß wie die bekannte Welt, und das heiße Amerika. Der Bürger würde lachen und müsste mich als Lügner zu enttarnen suchen, meine Fotos als Collagen bezeichnen. Er würde sagen: »Du spinnst.« Also bin ich verrückt, und meine Beweise sind getürkt.