Irische Todesboten

Die Banshee ist eine weibliche Gestalt, die in Irland einen nahen Todesfall ankündigt. Der anglikanische Priester St. John D. Seymour (1880-1950) sammelte im Herbst 1913 durch einen Aufruf in irischen Zeitungen Wahre irische Gespenstergeschichten, wie er dann auch sein Buch nannte, das (verfasst mit Harry L. Neligan) im Jahr darauf erschien.

540px-Banshee-imageÜber die Herkunft der Banshee lässt sich wenig sagen; ihr Wirken verliert sich im Dunkel der Geschichte und des Mythos. Sie ist jedenfalls eine Frau mit roten, aufgelösten Haar oder mit rotem Kleid, ringt die Hände und deutet auf ein Haus, wozu sie jämmerliche, durchdringende Klagerufe ausstößt. Manchmal ist sie jung und hübsch, manchmal alt und furchterregend, aber immer trägt sie wildes Haar und bewegt ihre Arme.

Bisweilen folgt sie einer Familie auch über die Grenzen Irlands. Eine Gruppe Besucher hielt sich auf einem Schiff auf, das einen der norditalienischen Seen befuhr. Ein Oberst wandte sich an den Besitzer des Bootes mit den Worten: »Graf, wer ist denn die seltsame Frau hier auf dem Schiff?« Der Graf beharrte, außer den anwesenden Damen sei keine Frau hier, als der Oberst wieder erschauerte, weil er die Frau anscheinend noch einmal sah und ausrief: »Was für ein schreckliches Gesicht!« Dann atmete er auf: »Sie ist weg!«

Sie sei nicht menschlich gewesen; nicht aus dieser Welt. Sie habe ein leuchtendes Gesicht gehabt, eine Masse roten Haares und Augen, die schön gewesen wären, hätten sie nicht so höllisch geglüht. »Sie trug eine grüne Haube nach der Art irischer Bäuerinnen.« Der Graf erklärte, er stamme von den irischen O’Neills ab und habe sich nur in Italien Neilsini genannt. Der Oberst kannte sich aus und meinte: »Diese Banshee gehört also zu Ihnen? Was bedeutet das?« Der Graf belehrte ihn, es bedeute den Tod i2zXbWhWTquZOrX3BfUdAA33132eines nahestehenden Menschen; er bete, es möge nicht seine Frau oder seine Tochter sein. Der Autor schrieb:

In dieser Beziehung jedoch stellte sich seine Furcht rasch als unbegründet heraus, denn innerhalb zweier Stunden erlitt er einen Anfall von Angina pectoris und starb vor dem Morgengrauen.

Eine Frau aus dem County Cork erinnerte sich an eine Erzählung ihrer Mutter, die als junges Mädchen einmal aus dem Fenster schaute und eine weiße Gestalt auf der nahegelegenen Brücke wahrnahm. Die Gestalt winkte mit den Händen in Richtung Haus, und das Mädchen hörte das unverkennbare Klagen der Banshee. Nach ein paar Sekunden war sie verschwunden. Am nächsten Morgen war ihr Großvater in Cork unterwegs, stolperte, stürzte, schlug mit dem Kopf an den Bordstein und starb.

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Auch andere Phänomene kündigen einen Tod an. In Irland weit verbreitet war die Geschichte der »führerlosen Kutsche«. Mr T. J. Westropp schrieb dem Autor, sein Urgroßvater habe im Sterben gelegen. Die Kinder riefen den Arzt, setzten sich vors Haus und warteten. Plötzlich hörten sie ein Rumpeln und sahen eine große schwarze Kutsche vorfahren, doch sie raste vorbei und zerschellte anscheinend am großen Tor. Als die Söhne hingingen, fanden sie nichts. Der Arzt kam später, doch ihr Vater starb wenige Stunden später.

300px-Black_Coach_01»Zwei weitere gute Geschichten stammen aus dem County Clare«, freuen sich die Autoren. Im April 1821 warteten zwei Diener auf die Ankunft des schwerkranken Cornelius O’Callaghan, des Sohnes der Familie. Ein Diener stand oben auf den Stufen mit einer Lampe, als eine Kutsche hereifuhr. Der andere Diener sprang hinzu, sah im Inneren ein Skelett, wurde ohnmächtig, und die Kutsche war schlagartig verschwunden. O’Callaghan traf ein und war so erschöpft, dass er in den frühen Morgenstunden starb.

In der Nacht des 11. Dezember 1876 machte ein Diener der MacNamaras seine Runden im schönen Ennistymon. Im Dunkeln hörte er das Rollen von Rädern und dachte gleich an die Todeskutsche. E öffnete vor ihr rasch alle drei Tore und warf sich daneben zu Boden. Am folgenden Tag starb Admiral Sir Burton MacNamara in London.

Mr. Westropp riet dringend, alle Tore zu öffnen, wenn man die führerlose Kutsche nahen höre. Dann werde sie nicht beim Haus stehenbleiben, um ein Mitglieder der Familie zu holen, sondern werde nur den Tod eines entfernten Verwandten ankündigen.

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In anderen Familien warnt ein plötzliches Krachen im Obergeschoß vor einem Todesfall, ein Spiegel zerspringt, ein Hoftor öffnet und schließt sich selbstständig. Die Scanlans in Ballyknockane (County Limerick) erleben vor einem Todesfall stets draußen eine Feuersäule mit Krone, und der Innenraum ist plötzlich hell erleuchtet. Ein Gewährsmann schrieb, er habe mit vier Personen gesprochen, die die Scanlan-Lichter gesehen hätten. Zuletzt sei dies 1913 geschehen (im Jahr bevor das Buch erschien).

Heute, hundert Jahre später, kommen solche Warnungen nicht mehr vor. Die Welt hat sich vom Mythos und den Traditionen abgewandt und ist zu abgelenkt von ihrer Technik und den Kommunikationsmedien. Es fehlt der Glaube an Psi-Phänomene, und es fehlen Stille und Vertrauen.

 

 

 

 

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