Hinein in die Intimität
Der Chefredakteur in Stuckrad-Barres Roman schreb des Nachts immer SMS‘ an seine jeweilige Kandidatin. Für eine Kontaktaufnahme braucht man die Sprache, klar; und im Ausland hilft ein kleiner Sprachführer. Schauen wir uns einmal an, was das »Phrasebook« von Lonely Planet im Umkreis von Sex und Liebe vorschlägt.
Solch ein Sprachführer (hier: Suaheli) ähnelt einem Software-Programm. Die Gestalter überlegen sich, welche Situationen auftreten könnten und formulieren dementsprechende Fragen und Aussagen. Dadurch erführe etwa ein Außerirdischer, wie es Menschen anstellen, einen Vertreter des anderen Geschlechts zu einer intimen Handlung (= Sex) zu überreden und welche Probleme dabei auftreten könnten.
Ältere Semester werden sich vielleicht an eine Szene des Komikers Loriot erinnern, der mit der Komik des Sprachführers spielt. Mann kommt nach Hause und findet seine Frau mit ihrem Liebhaber in der Badewanne vor. Mann sagt etwa: »Das ist meine Frau.« Liebhaber: »Ich bin nicht der Mann dieser Frau.« Frau: Ich sitze in der Badewanne und bin 34 Jahre alt.« Und so weiter.
Der rumänische Dramatiker Eugène Ionesco wollte als junger Mann die englische Sprache erlernen, und die künstlichen Dialoge in seinem Lehrbuch wirkten auf ihn stark, und etwas Seltsames geschah:
Der Text veränderte sich vor meinen Augen, gegen meinen Willen. Die einfachen und einleuchtenden Sätze, die ich voller Fleiß in mein Schulheft eingetragen hatte, begannen sich zu zersetzen, nachdem sie eine Zeitlang sich selbst überlassen gewesen waren, … sie verwesten, entarteten.
Die Sprache löste sich auf, und in diesem Erlebnis schrieb Ionesco sein erstes Theaterstück, »Die kahle Sängerin«.
Aus dem Phrasebook zu »jemanden einladen«:
Wo würden Sie heute Abend gern hingehen?
Wo würden Sie morgen Abend gern hingehen?
Ja, würde ich gerne.
Tut mir leid, ich kann nicht.
Pick-up lines (etwa: Anmache):
Du kommst mir bekannt vor.
Du bist eine fantastische Tänzerin.
Wollen wir zusammen tanzen?
Darf ich dich nach Hause begleiten?
Kommst du mit zu mir?
Näher rangehen:
Ich mag dich sehr.
Du bist toll.
Darf ich dich küssen?
Willst du ein wenig reinkommen?
Willst du eine Massage?
Kann ich bei dir bleiben?
Sex:
Küss mich.
Ich will dich.
Lass uns ins Bett gehen.
Berühr mich hier.
Magst du das?
Ich mag das.
Das mag ich nicht.
Hast du ein Kondom?
Eine Dosis Humor hilft.
Oh mein Gott!
Das ist großartig.
Langsam, Löwe! (tulia, simba!)
Probleme:
Triffst du dich mit jemand anderem?
Er/sie ist nur ein/e Freund/in.
Du benutzt mich; du willst mich nur für Sex.
Ich will dich nicht wiedersehen.
Wir kriegen das hin.
Ob das funktioniert, mit geringen Sprachkenntnissen einen Partner zu finden und »abzuschleppen«? Man hat sie/ihn vielleicht zur Einladung überredet, aber dann? Konversation ist schwierig. Und wenn man gestresst ist, fällt einem nicht mehr ein, wie das auf Suaheli hieß. Klar, nonverbal geht auch etwas. Aber zwei eher sprachlose Partner, das kann man sich nicht gut vorstellen. Doch wir hängen vielleicht zu sehr an der Sprache. Für eine Nacht mag auch Stummfilm-Sex gut sein.
Die Illustrationen sind von Rolf Hannes, Freiburg.