Dekameron, bajuwarisch
Es war mir abhanden gekommen, Das bayrische Dekameron von Oskar Maria Graf, aber nun habe ich ein neues Exemplar bekommen und las es gierig durch; gierig nicht unbedingt wegen des Themas, der wahren erotischen G’schichtln vom Dorf, sondern weil jede von ihnen eine köstliche Pointe aufweist.
Als das Dekameron 1928 erschien, hatte der 34 Jahre alte Graf aus Berg am Starnberger See schon 15 Bücher verfasst. Das klassische Dekameron schrieb Giovanni Bocaccio (1313-1375) um 1350 in Florenz: Zehn jüngere Menschen haben sich wegen der Pest in einer Villa verkrochen und erzählen sich 100 Geschichten auch derberer Machart. Es war die erste Novellensammlung. (600 Jahre später: O. M. Graf bei einer Lesung.)
Oskar Maria Graf erinnerte sich an Erzählungen aus seiner altbayerischen Heimat und peppte sie ein wenig auf, dass man sie auch heute noch mit Vergnügen liest — wenn man mit dem Dialekt klarkommt, doch vieles erschließt sich aus dem Zusammenhang.
Der bestrafte Lurer ist der Alois Penzinger, der sich nach Alkoholgenuss unter eine Bank an der Seepromenade legt, um Liebende zu belauschen. Auch wenn er im konkreten Fall nichts sieht, der Alois, ist er ein Voyeur, ein Lurer. Und der Lauscher an der Wand / der hört sei‘ eig’ne Schand: Die Frau oberhalb ist die Marie, die wenige Stunden vorher angekündigt hatte, das Wochenende in München verbringen zu wollen. Er ist erbost und verspricht sich im stillen, sie verprügeln zu wollen. Sie geht und verspricht, auf ihren Gustl zu warten, der noch ein dringendes Bedürfnis hat und den Alois durchnässt …
Ärger erwischte es den Lenz und die Thekla, die glücklich endlich im Pferdestall sich austoben und jubeln. Dann:
Der Rapp drehte seinen Kopf nach hinten, spreizte sein Hintergestell breit auseinander und fing gewaltmäßig zu strahlen an. Wie ein Kübel siedheißes Wasser ergroß es sich über die zwei Liegenden.
Was sie aber, die Liebenden, nicht weiter stört; sie heiraten dann. In anderen Episoden geht es um das »Fensterln«, um eine angebliche Wunderdoktorin in München, die Migräne heilt (gegen viel Geld und mit wenig Kleidung an).
Eine der schönsten ist Das Brautverstecken. Man kennt das: Die Braut wird entführt und gegen Lösegeld wieder freigelassen. Der Finschl-Michl entführt also die Marie und geht mit ihr einfach in seine Kammer im Obergeschoß. »A Bussei« will er haben, die beiden geraten in Wallung; was, heut bei der Hochzeit? fragt eine fassungslose Marie, aber der Michi beruhigt sie: An diesem Tag sei das keine Sünde mehr, sie solle aber besser ihren Jungfernkranz ablegen, damit der nicht zerdrückt werde …