Carl Lutz

György Konrád erwähnte in seinem Buch zwischendurch Carl Lutz (1895-1975), den Schweizer, den kaum jemand kennt, obwohl er mehr Juden das Leben rettete als irgendjemand sonst. Niemand aus seinem Land hat ihn zu Lebzeiten geehrt; aber er wurde zum »Gerechten der Völker« ernannt, 1964 schon. Setzen wir ihm ein Denkmal.

Carl_Lutz_fortepan_105824Die Carl-Lutz-Gesellschaft hält fest, er habe 27.000 Juden in Budapest vor dem Zugriff der Nationalsozialisten bewahrt (die 62.000 von Wikipedia stammen aus einer falschen Schätzung; aber das ist ja nicht so wichtig; es waren viele!). Das ist schier unglaublich. Ich zitiere aus einem Portrait der 2018 gegründeten Carl-Lutz-Gesellschaft:

Die Schweiz verstand sich während des Zweiten Weltkriegs als sogenanntes Transitland, das Flüchtlingen allenfalls als kurzfristiger Aufenthaltsort vor der Weiterreise dienen könne. Insbesondere aus Angst vor Überfremdung schloss sie 1942 die Grenzen. Die von Carl Lutz ausgestellten Schutzbriefe wurden von der ungarischen Polizei und dem Eichmann-Kommando, einer Sondereinheit der Schutzstaffel (SS) mit dem Auftrag, die Juden in Ungarn zu vernichten, respektiert. Ab Juli 1944 wurde Lutz in seiner Tätigkeit durch den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg unterstützt. Wallenberg stellte nach dem Vorbild der Schutzdokumente von Carl Lutz »Schutzpässe« aus und unterstützte Lutz in der Unterbringung von Menschen in Schutzhäusern.

Diese Tätigkeit blieb lange Zeit ungewürdigt. Lutz wurde vom Eidgenössischen Politischen Departement sogar vorgeworfen, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Erst 1958 wurde seine Leistung positiv gewertet und er wurde im Parlament für seinen Einsatz in Budapest gelobt. 1991, 16 Jahre nach seinem Tod, wurde zu seinen Ehren in Budapest ein Denkmal errichtet. 1995 erfolgte die posthume Rehabilitation durch die Schweizer Behörden.

Auch andere retteten Leben: Pinkas Tibor Rosenbaum (1923-1980) verkleidete sich zuweilen auch als SS-Offizier und konnte Hunderten Juden zur Flucht verhelfen; der Film Unter Feinden (Walking With the Enemy) von Mark Schmidt erzählt 2013 die Geschichte aus Rosenbaums Sicht, der im Film Elik Cohen heißt. Rudolf Kastner (1906-1957) verhandelte mit Eichmann und kaufte mittels hoher Summen 1670 Juden frei, die in einem Zug Budapest verließen, aber erst im Dezember 1944 in die Schweiz kamen, weil die Nazis ihr Versprechen zunächst nicht hielten.

330px-Raoul_WallenbergRaoul Wallenberg, der Schwede, wurde von den Russen nach Moskau gebracht und starb dort vermutlich Ende Juli 1947. Die Umstände seines Todes wurden nie geklärt, seine Leiche nie gefunden. Carl Lutz wurde 1964 zusammen mit seiner Frau Gertrud Lutz-Fankhauser, Wallenberg 1966 von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt.

OIPvarian1994 wurde Varian Fry diese Ehre posthum zuteil, zudem wurde er 1998 zum Ehrenbürger des Staates Israel ernannt. Fry (1907-1967) war von Juni 1940 bis August 1941 für die USA in Marseille tätig und sollte, versehen mit Listen und mit Geld, Ausreisewilligen helfen. Er rettete über 2000 Menschen das Leben. Viele bildende Künstler und Schriftsteller verdanken dem amerikanischen Journalisten sein Leben, unter ihnen Marc Chagall, Marcel Duchamp, Heinrich und Golo Mann, Leonard Frank und Franz Werfel. Varian Fry wurde in den USA vorgeworfen, er kümmere sich meistenteils um Linke und um Juden, und seine Arbeit wurde von vielen Seiten torpediert. Er selber fiel dem Vergessen anheim.

 

 

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