Sichtlich verborgen
Die Aussage von Dan Drasin Mitte Oktober über das Bewusstsein, das »sich bei völliger Sichtbarkeit verbirgt« und die Schirme der Umwelt, die vor dem Geheimnis stehen, ließ mich nicht los. Ich dachte an die 70.000 Schleier, die der Koran erwähnt und den manifest-unmanifesten Gott der Gnosis. Tauchen wir ein.
Das Bewusstsein und Gott in einem Atemzug zu nennen, mag etwas abenteuerlich erscheinen; aber im Bewusstsein ist die Quelle immanent anwesend. Das Bewussstsein ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wichtigen Begriff der Wissenschaft geworden; es ist zentral. Wir sehen es nicht, doch es ist überall und kann überall sein, es schafft und wirkt.
Hermes sagt im Codex Hermeticum zu That, was vielen unverkörpert erscheine, werde ihm bald sehr verkörpert vorkommen.
Wäre es manifest, dann würde es nicht sein. Denn alles, was manifest gemacht wird, ist vom Werden abhängig, denn es ist manifest gemacht worden. Doch das Nicht-Manifestierte ist für immer, denn es wünscht nicht, manifest gemacht zu werden. Es ist für immer und manifestiert alle anderen Dinge. Da Er selbst unmanifestiert ist, für immer seiend und manifest-machend, wird Er nicht manifest gemacht. Gott selbst ist nicht gemacht; durch manifestierendes Denken denkt er alle Dinge ins Dasein.
Das ist natürlich die Geschichte vom unbewegten Beweger, der selbst keinen Anfang hat und alles erschafft, der überall ist und von dem man keine Spur findet.
G. R. S. Mead (1863-1933), der englische Übersetzer, spricht im nachfolgenden Kommentar von seinen Schwierigkeiten bei der Übersetzung. »Manifest« sei nur eine Verlegenheitslösung. Er erwähnt folgende griechischen Ausdrücke, die im Text vorkommen:
ἀφανές, φανερώτατον, ἐμφανές, φαινόμενον, ἐφάνη, ἀφανές, φανῆναι, φανερά, ἀφανής, φανερῶν, φανεροῦται, φαντασίᾳ, φαντασιῶν, φαντασία, ἀφαντασίαστος καὶ ἀφανής, φαντασιῶν, φαίνεται, φανῆναι.
Ihnen entnehmen wir das Phänomen und die Fantasie. φαινω bedeutet etwas sichtbar machen, erscheinen, auftauchen. Das Phänomen ist etwas, das einen Ursprung hat, das auf etwas hindeutet. Mead übersetzte Fantasie mit »manifestierendem Denken«, denn es bringe ein Objekt in die Welt (gedanklich in die Welt). Das erinnerte ihn an Māyā in der indischen Vedanta, das oft als »Illusion« übersetzt wird, doch das Ma darin bedeute Maß, und Māyin (männlich) sei der Macher, der Messende oder der Schöpfer, und seine Kraft oder Shakti ist Māyā (weiblich). Es sei die Macht des Göttlichen Gedankens, und sie sei weit entfernt von der »Illusion«, wie wir sie verstehen. In einem Wort des Phōsilampēs heißt es:
Durch Ihn ist alles das, was wirklich ist und das, was wirklich nicht ist, wodurch das Verborgene, das wirklich ist und das Offenbare, das wirklich nicht ist, existieren.
Alles klar? Das Offenbare ist nicht wirklich in dem Sinn, dass es gemacht wurde und nicht ewig sein wird; das Verborgene ist wirklich. Seth meint:
Objekte haben symbolische Bedeutung. Unser Leben ist ein dreidimensionaler Traum. Träume kommen der wirklichen Realität näher. Befreien wir uns etwas von der strukturierenden Sprache! Musik ist eine Sprache. Malerei ist eine Sprache. — Erst die versteckten Bezüge lassen Sprache verständlich werden.
Die Übersetzungen durch Google sind noch nicht gut; es fehlt die innere Geschlossenheit.
Doch denken wir zurück, ans Bewusstsein. Das ganze Leben um uns her ist durchtränkt von ihm. Alle Objekte sind erdacht worden, und alles, das geschieht, hat seinen Ursprung im Denken der Menschen, das man nicht sieht. Das Bewusstsein ist der stetig pulsierende Hintergrund, ist wie ein Meer um uns her; alles andere ist nur Beiwerk und »Phänomen«. Wir vergessen das zu leicht im Trubel der Dinge und Events. Diese Welt da draußen ist, wie sie ist, doch sie könnte rasch eine andere werden, wenn sich das Denken änderte. Dass das so schwer ist!