Menschen, die noch hätten leben können

Heute Abend um 19 Uhr eröffnet die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg ihre neue Ausstellung über »Menschen, die noch leben hätten können«. Museumsleiter Thomas Röske hat als Gäste Professorin Sabine C. Herpertz, Ärztliche Direktorin der Klinik für Allgemeine Psychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg und Stefanie Jansen, die Bürgermeisterin für Soziales, Bildung, Familie und Chancengleichheit der Stadt Heidelberg. Deutsche Gebärdensprache wird gedolmetscht.

Die Sammlung Prinzhorn, über die manipogo mehrmals berichtet hat, bietet »Outsider Art« und zeigt ausschließlich Kunst von Patienten der Psychiatrie. Ich war 2012 mit meiner Mutter dort, und »Elementarkräfte« war der 31. Artikel auf manipogo, das damals, am 7. September 2012, 100 »Abonnenten«  hatte. Nun, elf Jahre später, sind es 1,2 Millionen, und 3100 Artikel sind entstanden. Darum hat Prinzhorn auch mit meiner Geschichte zu tun. Morgen beginnt also die neue Ausstellung, die bis 31. März 2024 dauert. Wie immer übernehme ich den Text des Museums:

Die Ausstellung »Menschen, die noch hätten leben können« zeigt einen ungewöhnlichen Querschnitt der Sammlung Prinzhorn: 150 sehr unterschiedliche Werke aus dem gesamten 20. Jahrhundert. Neben einem Klassiker des Bestandes, der »Lufterscheinung« von Otto Stuß (1909), sind zum Beispiel eine Auswahl der 1800 Blumenpastelle von der jüdischen Germanistin Hanna Hellmann zu sehen, die sie von 1939 bis 1942 in der Anstalt zeichnete, und plakative Porträts von NS-Persönlichkeiten, die Theodor Wagemann in den 1980er Jahren in einem Heim produzierte. Was diese Werke verbindet? Ihre Autor*innen sind Opfer nationalsozialistischer Verbrechen geworden.

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Das Gedenken an die Opfer der Psychiatrie im Nationalsozialismus ist seit Bestehen des Museums ein wichtiges Anliegen des Hauses. Als eine der ersten Ausstellungen wurde 2002/03 die Schau »Todesursache: Euthanasie. Verdeckte Morde in der NS-Zeit« gezeigt. In den folgenden Jahren erweiterte vor allem Sabine Hohnholz, die ehemalige Archivarin der Sammlung, die biographische Forschung zu Patientenkünstler*innen der Sammlung stetig, zumal auch andernorts sich die Recherchemöglichkeiten zu Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen vermehrten. Damit ist nun ein neuer, wenn auch sicher kein endgültiger Forschungsstand erreicht, der die Basis für die aktuelle Ausstellung bildet. Diese bezieht auch Opfer der Zwangssterilisation und von Konzentrations- und Vernichtungslagern ein. Den zugehörigen Katalog mit Rekonstruktionen von Lebens- und Leidensgeschichten sowie Analysen der überlieferten Werke entwickelte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Museumsdirektor PD Dr. Thomas Röske und der Medizinhistorikerin Prof. Dr. Maike Rotzoll.

Die ausgestellten Arbeiten vermitteln einen Eindruck von den Persönlichkeiten hinter den Schöpfungen. Über sie ist eine Form der Annäherung an Opfer nationalsozialistischer Verbrechen möglich, die Zahlen, Fotos oder dürre Fakten nicht erlauben.  Die Ausstellung versteht sich insofern als einen Betrag zur Erinnerungskultur.

Das Bild zeigt eine Skulptur von Jochen Meyder: Projekt 10654. Es befindet sich in der Sammlung.

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