Gewalt in Zentralafrika
Wenn man so die Lage in den Ländern rund um Uganda ansieht, könnte es einem schlecht werden. In den meisten Ländern (und auf einer Fläche vom Vierfachen Europas) ist man gut beraten, nicht herumzufahren. Es gibt Hunderte von marodisierenden, gewalttätigen Banden, die töten und rauben.
Das gilt für die Demoktatische Republik Kongo, besiedelt mit fast 100 Millionen Menschen und mit guter Vegetation und fruchtbaren Böden. Doch es herrscht Rechtlosigkeit. Im Osten des Landes operieren 120 bis 130 Guerillagruppen, die Dörfer überfallen (manchmal auf Motorrädern), die Männer ermorden oder mitnehmen, das Vieh verschleppen und die Frauen vergewaltigen. Die Banden bestehen aus jungen Männern, deren Lebensinhalt der Raub an Zivilisten ist und die, abgestumpft, zu Tötungsmaschinen werden, denen jedes Gewissen abgeht.
Ähnlich ist es in der Zentralafrikanischen Repubklik, im Tschad, in Niger, im Südsudan und in Somalia. Im Sudan oder in Äthiopien kommen noch islamistische Gruppierungen hinzu, die bedenkenlos in Städten Bomben zünden, damit möglichst viele Menschen sterben. In dem Buch »Gulu« hat Margherita D’Amico 2003 die Situation in Nordost-Uganda geschildert, das 20 Jahre lang (bis 2007) von Konys Leuten heimgesucht wurde, der »Lord’s Resistance Army«. Sie raubte 66.000 Kinder und machte sie zu Soldaten, raubte junge Mädchen und machten sie zu Frauen ihrer Kämpfer oder Prostituierten, und wenn sie nach 8 oder 100 Jahren zufällig freikamen, sind sie schwer psychisch gezeichnet. In Uganda gibt es Auffangstationen, in denen die Halbwüchsigen auf die Rückkehr in die ihre Familien vorbereitet werden.
Damals, um das Jahr 2000, machten sich die »Night Commuters« auf in die Stadt Gulu, um dort zu übernachten. Es waren manchmal bis zu 40.000 Kinder, die aus den Dörfern zehn Kilometer oder mehr marschierten und sich dann dicht gedrängt auf die Plätze der Stadt zum Schlafen legten.
Diese Banden marodieren jahrelang, weil der Staat abwesend ist und seine Bürger nicht beschützen kann. Die internationalen Hilfsorganisationen sind in jedem Land tätig und Ärzte auch, und das gibt Mut; doch auf der anderen Seite liefern europäische Firmen Waffen, deren Export nicht genügend kontrolliert wird, wie die Organisation Transnational Institute (tni) in Amsterdam in ihrem Bericht »Smoking Guns« im Sommer 2021 feststellte. Bulgarien zum Beispiel lieferte 2013 und 2015 hunderte Maschinengewehre und leichte Waffen in den Ost-Kongo, was niemand bei der EU bemängelte. (Rechts: Soldat und Soldatin im Südsudan.)
Ein Viertel der weltweiten Waffenexporte, mit denen 2020 rund 30 Milliarden Euro Umsatz gemacht wurde, stammt aus Europa: Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien.Mit diesen Waffen bewirkt man mittelbar das, was man verhindern möchte: neue Vertreibungsströme. Nach Afrika speziell liefert Russland Waffen, und Russland und China halfen dem Sudan beim Aufbau einer Rüstungsfirma. Auch Uganda stellt Waffen her. Und wie viele US-Waffen verschwanden nicht im Irak und gelangten irgendwie nach Afrika! In den größeren Städten mit Krieg und Krisen gibt es auch offene Märkte für Waffen: eine Kalaschnikow für 100 bis 400 Dollar.
Um den Mitmenschen zu töten, braucht es nicht einmal Schusswaffen oder Sprengstoff: Hacken, Prügel und Macheten genügen. Das zeigte uns der Genozid von Ruanda 1994, als von April bis Juni, in 100 Tagen, 800.000 Menschen ermordet wurden. Sie wurden erschlagen, zerhackt oder verbrannt. Die Hutu töteten die Tutsi. Manche wurden von Rebellen gezwungen, ihre Nachbarn zu töten, oder man versprach ihnen deren Land und Haus. Jetzt, allmählich, kommen einige der Schuldigen vor Gericht. Ein ruandischer Arzt muss sich gerae in Bordeaux verantworten; es hat 29 Jahre gedauert, ihn festzunageln.
Der Präsident Ruandas kam Anfang April 1194 bei einem Flugzeugabsturz um, das war der Anlass, und Radiostationen hetzten die Hutu auf: Tötet sie, bevor sie euch töten! Die Tutsi waren Viehzüchter, die Hutu Ackerbauern; die Tutsi waren immer bevorzugt worden. (In manchen afrikanischen Ländern bekriegen sich zwei Ethnien, weil jede das Land beherrschen will.) Dann begann das Massaker. Man erträgt es kaum, darüber zu lesen. Nach den 3 Monaten gab es eine neue Regierung, und 2 Millionen Hutus flohen in den Osten, in die Demokratische Republik Kongo (früher Zaire). Ihren Gewalttaten sollen seither dort 5 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein. Man ist einfach sprachlos.