Der Pakt

Nun schließen wir noch ein drittes Stücklein an. Kristin war als 17-Jährige vor ihrer Verlobung im Kloster, heiratete danach, brachte acht Söhne zur Welt (einer starb) und kehrte als fast 50-Jährige ins Kloster zurück. (Das steht schon im Klappentext.) Dort erkrankt sie bald an der Pest und muss sterben, die Gute. 

Dann beginnt ein Abrechnung, ein Gespräch mit Gott. Es ist freilich ein Monolog, in dem aber alles steht. Sie verschenkt ihren Brautring, den mit den Rubinen.

045Kristin wurde mit einem Ruck wieder ganz wach, heftete den Blick auf ihre Hand. Der goldene Ring war weg, es war doch wahr, aber dort, wo er am Mittelfinger gesessen hatte, war ein blankgewetztes Mal: Ganz deutlich war es an der braunen und rauhen Hand zu sehen — wie eine Narbe, mit dünner weißer Haut überzogen —, Kristin vermutete sogar, zwei runde Flecke von den Rubinen auf jeder Seite unterscheiden zu können und ein kleines Zeichen, ein M, mit dem die Mittelplatte des Ringes von den heiligen Namenszeichen der Jungfrau Maria durchbrochen war.   

Und der letzte klare Gedanke, der sich in ihrem Gehirn formte, war der, dass sie sterben sollte, noch ehe dieses Zeichen Zeit hatte, zu verschwinden, und sie war froh darüber. Es schien ihr ein Wunder zu sein, das sie nicht begriff, trotzdem aber wusste sie ganz sicher, Gott hatte sie in einem Pakt festgehalten, der für sie geschlossen worden war, ohne dass sie etwas davon ahnte, von einer Liebe, die über sie ausgeschüttet worden war, und trotz ihrem eigenen Willen, trotz ihrem schweren erdgebundenen Sinn hatte etwas von dieser Liebe in ihr weitergelebt, hatte in ihr gewirkt wie die Sonne in der Erde, hatte eine Saat hervorgebracht, die weder das heißeste Feuer der Liebe noch der stürmende Zornesmut der Liebe ganz hatten vernichten können.

Eine Dienerin Gottes war sie gewesen, eine widerspenstige unwillige Magd, meist eine Augendienerin in ihren Gebeten und untreu in ihrem Herzen, faul und nachlässig, ohne Geduld während der Züchtigung, wenig ausdauernd in ihren Taten, trotzdem hatte er sie in seinem Dienst behalten, und unter dem glitzernden goldenen Ring war sie heimlich gezeichnet worden, dass sie seine Dienerin sei, dem Herrn und König gehörte, der jetzt kam, getragen von den geweihten Händen des Priesters, um ihr Freiheit und Erlösung zu bringen.

 

Wir gehören zu G*tt und er zu uns. Barbara Bartolome sagte in ihrem Nahtod-Bericht (vor 7 Jahren): »Da war eine Präsenz, und ich wusste, ich gehörte zu ihr und sie zu mir.« Wir sind alle Dienerinnen und Diener G*ttes (und alle sind wir faul und nachlässig). »Ya ayuha allathee amanoo koonoo ansara Allahi«, heißt es im Koran: Ihr, die ihr glaubt, seid Diener (und Dienerinnen) Allahs. Auch der G*tt der Moslems ist langmütig und reich an Güte und unendlich barmherzig, denn es ist ja ein- und derselbe; die Drohungen mit der Feuerhölle sollten den Beduinen bloß tüchtig Angst einjagen, und den Christen erging es nicht anders. Die Priester waren die wahre Heimsuchung der Gläubigen, und nicht die Sünde war es, die jene ihnen einzureden trachteten. Sie waren die Boten der Dunkelheit, vor denen sie stets warnten. Wer den Geist der Evangelien beherzigt, ist anders. Menschen gehen seit jeher härter mit ihresgleichen ins Gericht als das unermesslich Gute, die Schöpferkraft.

Wir haben unsere Welt zu einem düsteren Ort gemacht, nicht der Herr. Das trifft natürlich auf das Mittelalter weit stärker zu, denn damals ging es stets um das Heil und um die Sünde, und es gab Buhlenkinder, die einer Todsünde entstammten: der vorehelichen Geschlechtsverkehrs. Kristin in Sigrid Undsets Roman hat darunter gelitten, ihr Leben lang. Doch das fällt von uns ab, wenn wir diesen letzten Schritt tun mussten. Wir haben versucht zu leben, wir haben geliebt, und niemand verurteilt uns. Das Jüngste Gericht ist eine Erfindung dunkler Kräfte.

CIMG0602Dann verschwand alles in einem dunkelroten Nebel und in einem Dröhnen, das zuerst erschreckend zunahm, nach und nach aber erstarb, und der rote Nebel wurde dünner und war zuletzt wie ein feiner Morgennebel, ehe die Sonne durchbrach, und es war vollkommen lautlos, und sie wusste, dass sie jetzt starb.

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