Die Kreuze im Paradies

Vor drei Monaten hörte (und sah) ich mir in einem Nachbarort einen Multimedia-Vortrag über die französische Insel La Réunion an. Sie liegt südlich von Afrika und östlich von Madagaskar, ist etwa 80 auf 80 Kilometer groß und ein Paradies mit fantastischer Bergwelt und üppig gedeihenden exotischen Pflanzen.

20230921_091843Da kann man gut Urlaub machen, ist weiterhin in Frankreich und also in der EU, und um die Insel herum verläuft eine Autobahn; es gibt gutes Essen, und ringsherum schäumt der Indische Ozean, und da die Insel durch vulkanische Aktivität entstand, ist die Küste gesäumt von Felsen. Überall eine großartige Szenerie.

Die Insel war bis zum Jahr 1600 unbewohnt. Dann kam der Mensch, holte sich Sklaven und ließ sie Kaffee, Vanille und Baumwolle ernten und bearbeiten. Jetzt leben 850.000 Menschen auf La Réunion, sie leben vom Tourismus und gar nicht schlecht davon. Etwas habe ich mir gemerkt, und es ist leider traurig:

20231129_125731Da gibt es eine Art Höllenloch: einen Abgrund, in den der Ozean seine Wellen hineinschickt und Wasserfälle hineingießt, und da kocht das Wasser, schäumt und schlägt um sich. Oben am Rand dieses fauchenden Pfuhls stehen einige Kreuze. Der Referent sagte, es seien meist junge Leute gewesen, die hierherkamen, ihres Lebens überdrüssig, und sich hineinstürzten.

Ist das nicht schrecklich? Aus unserer Sicht würde man sagen: Diese Insel ist ein Paradies. Alles wächst, es gibt Palmen, wie kann man da traurig sein? Und doch … der Mensch ist so. Wenn einen die Liebhaberin verlassen hat, wenn die Mutter gestorben ist, wenn man krank ist, verzweifelt man manchmal am Leben und will es von sich werfen — in der Illusion, dann hätte man alles hinter sich. (Das stimmt natürlich nicht; man hat drüben die alten Probleme immer noch am Hals und neue dazu: weil man durch seine Tat vielen Menschen wehgetan hat, die einen geliebt haben.)

Albert Camus hielt den Selbstmord für das einzige Problem des Menschen. Tiere tun das nicht; wirklich nicht? Es hat Hunde gegeben, die nach dem Tod des Frauchens die Nahrung verweigerten.

Da man auf La Réunion weiß, wohin die Lebensmüden gehen (auch hier wirkt die Nachahmung), dann müsste man dort oben ein Schild aufstellen: »Ruf mich an, lass uns nochmal darüber reden, es gibt eine andere Lösung!«

So wie auf dem Bild unten, das ist aus St. Gallen. »Verzweifelt? STOPP. Rufen Sie uns an, darüber reden hilft. 143.«

 

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