Liebe zum Keller

Zum Glück habe ich in Sulzburg einen guten Fahrradladen, und meine Räder werden perfekt und zu einem guten Preis repariert. Draußen stehen die Öffnungszeiten, ergänzt durch den Spruch: geöffnet auch »immer, wenn jemand da ist«. Nett. Kürzlich ging ich zu Fuß dorthin, um mein Rad abzuholen, und auf dem Weg sah ich ein Auto mit der Aufschrift »Wir lieben Keller«. Ist das ernst gemeint?

herzchAnscheinend schon. Der Wagen stand in einem Neubaugebiet. Edeka sagt ja: »Wir lieben Lebensmittel«. Das schöne Verbum lieben muss sich das alles gefallen lassen.

Wenn sie wenigstens sagen würden: »Wir lieben unsere Kunden!« Das wäre doch was! Oder wenn sie sagen würden: »Wir lieben es, Lebensmittel zu verkaufen« oder »Wir lieben es, Keller zu bauen«. Früher hat man gesagt, jemand liebe seine Arbeit. Das ist ganz okay. Er oder sie liebt, was er tut.

Dann sah ich einen Spruch auf einem Auto, der tatsächlich die Handlung thematisierte: »Wir machen Ihnen den Hof.« Da hat jemand lange nachgedacht, es ist ein nettes Wortspiel geworden, natürlich ein Wortspiel um des Wortspiels willen … (Und wie machen sie uns den Hof: so, die meisten es wollen, alles tüchtig zupflastern, zwei große Autos druff, fertig.)

Doch sie lieben meistens nur Gegenstände. Sie wollen sich schön darstellen und denken darum, dass wir sie bewundern, wenn sie die Objekte lieben, die sie verkaufen. Das ist die Dinghaftigkeit, die Adorno schon vor 60 Jahren anprangerte. Es geht immer nur um Dinge. Und dann gibt es diese Moden. Eine ist, auszusagen, man sei »anders«; die andere eben, man liebe, was man verkaufe oder sei »mit Leidenschaft« bei der Sache. Das ist natürlich alles Heuchelei und leeres Gerede. Die Urheber meinen, dass solche Sprüche von ihnen erwartet werden.

Erwartet wird anscheinend auch, dass sie »nachhaltig« zu Werke gehen oder klimaneutral. Das tun sie ja alle und posaunen es hinaus. Manche sind sogar klimafreundlich oder umweltschonend unterwegs. Alle sind sie heilig, alle lieben sie »unsere Umwelt«, die ihnen in Wirklichkeit scheißegal ist. Das Marketing-Gesülze ist nun richtig ins Mark eingedrungen, und auch kleinere Handwerksbetriebe wollen (oder können) sich dem nicht entziehen. Es würde ja reichen, wenn sie gute Arbeit tun und diese zuverlässig verrichten. Doch alles wird mit Luftblasen umgeben und mit hohlen Parolen gefüllt.

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Mit der Achtlosigkeit, mit der man Sprache verwendet, geht eine Achtlosigkeit den Inhalten gegenüber einher. Es kann gar nicht pathetisch genug sein. In Fernsehsports sehen wir glückliche Menschen, die sich einander zuwenden, und am Ende sackt alles in sich zusammen und endet bei einer banalen Firma, die etwas Banales verkauft. Die Sprache an sich ist zwar einfach gehalten, aber ihr Inhalt bläht sich und schwingt, als wär’s eine Predigt. Der Konsumkapitalismus übernimmt die Rolle der Kirchen, die das Feld geräumt haben, und wir müssen diesen Müll ertragen.Es geht ja nur um die Kohle, da ist den Unternehmen nichts heilig, und schöne Worte und Bilder kosten nichts (oder nur das Honorar für die PR-Firma).

Es ist nicht das grimmige, weitschweifige Pathos, das vor 100 Jahren schon die Nazis ankündigte, aber verlogen ist es auch. Da herrschen Egoismus und Anspruchsdenken, da benehmen sich Leute rüpelhaft und rasen in ihren riesigen Autos herum  und verteten selbstgerecht und autoritär ihre Standpunkte, und alles wird moralisch untermauert — wo eigentlich nur die Moral der Stärke herrscht. Sie reden von Selbstverteidigung und wollen nur die Rüstungsindustrie fördern. Eine gewisse Heuchelei und ein Großtun hat immer in der Werbung gesteckt, man verkauft etwas und sich selbst dazu, aber allmählich wird es penetrant, und wenn sich durch die Lüge ein Spalt auftut, wird der bald immer größer und zum Abgrund. .

 

 

 

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