Der Kugelblitz
Der Blitz, der vom Himmel schießt (und Dannion Brinkley traf), ist ein Linienblitz. Es gibt aber auch den Kugelblitz, an dessen Existenz viele Physiker nur darum zweifeln, weil sie ihn nicht erklären können. Augenzeugenberichte gibt es, und mir wurden zwei zuteil, die mich wieder auf dieses Thema stießen, um da es vor 30 Jahren bei einer kleinen Konferenz in Salzburg ging, die ich besuchte.
Es fing irgendwie kurios an. Wir hatten im Pflegeheim zum Piano »Tulpen in Amsterdam« gesungen, und ich erwähnte, dass ich dort vor 30 Jahren eine Kugelblitz-Konferenz besucht hatte, weil ich am Freiburger Psi-Institut arbeitete. Da meldete sich ein Besucher, der mit Freuden mitgesungen hatte und meinte, er würde mir gern ein persönliches Erlebnis erzählen …
Die Konferenz fand in Wirklichkeit im September 1993 in Salzburg statt (in Amsterdam war später die Konferenz der PA, der Parapsychological Association), wie mir später einfiel. Vielleicht 30 Interessenten waren gekommen, 10 von ihnen waren Referenten. Ich freundete mich mit dem guten alten Karl-Heinz Hentschel an, einem Freiburger, der in Karlsruhe-Durlach lebte. Er befasste sich mit Lokalgeschichte, hatte aber auch einen Fragebogen zum Kugelblitz erstellt und 230 Rückläufer bekommen. Von der Konferenz, die Vizotum hieß, weiß ich nur noch, dass zwei russische Forscher fürchterlich in Streit gerieten.
Der Gast, der mir berichtete, war der Chemielaborant Leo, und damals, vor vielleicht 40 Jahren, sei er 13 oder 14 Jahre alt gewesen.
Wir schauten uns unweit des Stadttors von Emmendingen die Kinoplakate an, und die Luft roch irgendwie sauer oder ozonisch. Dann gab es einen leichten Knall, und durch das Stadttor von rechts schwebte ein gelber oder orangefarbener Ball, der einen Meter im Durchmesser hatte. Er trieb an uns vorbei und kam 20 Meter weiter zum Stehen, schwebte in der Luft und summte dabei. Wir waren sprachlos. Dann wurde das Summen stärker, und plötzlich zischte der leuchtende Ball auf demselben Weg zurück, den er gekommen war, blitzschnell, ging durchs Stadttor, und dann gab es einen lauten Knall, und er zerplatzte.
Unten das Emmendinger Stadttor. Rechts ist ein Kinoschild zu sehen, vielleicht gab es das Kino damals schon. Da standen die Jungs also.
Das erzählte ich eine Stunde später auf dem Markt einer Kollegin, die dann ihre Geschichte aus Steinenstadt bei Neuenburg beisteuerte, wo sie auf einem Bauernhof aufgewachsen war. Auch sie war klein damals.
Meine Mutter ertrug ein Gewitter nicht. Sie packte ihre Tasche, und wir saßen in der Stube. Dann schauten wir hinaus, und alles ging sehr schnell: Ein leuchtender Ball kam aus der Ferne und drang ins Obergeschoß der Scheune ein, fuhr hindurch und kam wohl am anderen Ende wieder heraus. Die Scheune, in der das Heu gelagert war, fing an zu rauchen und brannte dann. Zum Glück befand sich das Hauptquartier der Feuerwehr zwei Straßen weiter.
Schade, dass ich meine Ordner ausgedünnt habe, darum finde ich keine Unterlagen mehr. Ich kann aber auf diese Halluzinationen und Grenzerfahrungen im Alpinismus zurückgreifen, ein Heft, das ich 1998 für den Deutschen und Österreichischen Alpenverein verfasste (hier erwähnt, in »Musik aus nirgendwo«). Es gab 1994 nur 24 Fotos von einem Kugelblitz. Alexander Keul von der Universität Salzburg, der wohl die damalige Veranstaltung ausrichtete, hatte damals 300 Fälle gesammelt und hier vertiefend über den Kugelblitz geschrieben. Er freut sich immer über Augenzeugenberichte. Angeblich liegen viele tausend aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion (hier wurden damals 5315 Berichte genannt), Japan und Europa vor — an der Existenz des Kugelblitzes ist demnach kaum zu zweifeln.
Der Kugelblitz (auch Feuerball oder Donnerbolzen, thunderbolt) ist eine wie ein Ball (gelegentlich wie ein Pfirsich) geformte elektrische Entladung von langer Dauer, die manchmal während Gewittern entsteht. Der Kugelblitz bildet sich am häufigsten am Ende eines Gewitters und erscheint gewöhnlich als ein roter leuchtender Ball von zehn bis zwanzig Zentimetern Durchmesser, der von einer blau kontrastierten Region und einem unscharfen nebligen Umriss umgeben ist. Ein zischendes, summendes oder flatterndes Geräusch wird gewöhnlich vernommen.
Der Physiker Axel Wittmann von der Universität Göttingen hält den Kugelblitz für eine Plasmakugel; mit atmosphärischer Aufladung scheint sie verbunden zu sein, wenngleich in Ungarn Kugelblitze auch bei schönem Wetter gesehen wurden. Andere Erklärungen sind, daß sie Mikrometeoriten sind oder elektromagnetische Energiefelder, zu Kugeln verdichtet. Kugelblitze finden manchmal wieder den Weg ins Freie, und durch Fenster fressen sie sich manchmal einfach durch. Unter den russischen Kugelblitz-Berichten gibt es 42, bei denen Scheiben durchbohrt wurden und 26, bei denen sie unbeschädigt blieben.
Allerdings sagt meine Kollegin, die Kugel habe eine Ziegelwand durchschlagen, was schwer vorstellbar ist. Und seltsam die Flugbahn des Kugelblitzes, den Leo sah: Er kam wieder zurück, als sei er ein intelligentes Wesen! So lernen wir durch jeden neuen Fall etwas Neues über ein seltenes Phänomen.