Myers und das Subliminale

Vorgestern fand in Rom der 22. Parapsychologie-Kongress meiner Freunde Giulio Caratelli und Maria Luisa Felici statt, der traditionell den Untertitel Personen, Phänomene, Reflexionen trägt. Aber ach, Rom ist so weit weg, und ich bin gerade faul, wenngleich seit drei Monaten produktiv wie noch nie. Aber ein Beitrag der beiden Römer in ihrer Zeitschrift über Frederick William Henry Myers schließt gut an gestern an.

Da sprach doch Karen Thomas vom Gehirn-Bewusstsein und dem Spirituellen Bewustsein. Es mag sein, dass alles, was wir in unserem Leben getan und gedacht haben, gespeichert ist, doch das Gehirn als Filter lässt das nicht zu unserem Bewusstsein durch: Denn durch die Menge der Informationen würden wir erdrückt und könnten unseren Alltag nicht mehr bewältigen. Aber die Frage bleibt: Was ist dieses Unterbewusstsein, was ist das Unbewusste?

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Carl Gustav Carus (1789-1869) führte in seinem Buch Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele schon 1846 den Begriff »Un-Bewusstsein« ein. Pierre Janet (1859-1947) unterschied 1889 in seiner Doktorarbeit L’Automatisme Psychologique zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein und legte damit den Grundstein für Freuds Konzept, das dieser in seinem Aufsatz Das Unbewusste 1915 entwickelte. (Ihn kann man hier lesen.) Man meint, dass 20 Prozent allen Materials bewusst vorlägen, jedoch 80 Prozent unbewusst. Das Unbewusste verarbeitet alles schneller und steuert große Teile unseres Alltagslebens.

1903 wurde das 1350 Seiten dicke Buch Human Personality and its Survival of Bodily Death von Frederick William Henry Myers veröffentlicht, der das nicht mehr erlebte, da er im Januar 1901 in Rom starb, 58 Jahre alt. Er legte eine Schwelle (limen) fest. Oberhalb dieser liege das  Supraliminale (Überschwellige), lägen also Bewusstsein, Bewusstheit und Verstand; darunter sei das Unbewusste zu verorten, das Subliminale oder Unterschwellige, von dem wir nichts wissen.

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Jenes zweite Ich sei in Wirklichkeit weitaus ausgedehnter und deshalb wichtiger als das erste Ich, das bewusste. Denn das »geheime« Ich sei eine unerschöpfliche Quelle von Energie und treibe die Kreativität an, weil es überreich an Inhalten, Werten und Kräften sei. Jenes subliminale Ich könne eine viel breitere Dimension der Realität erfassen als das »überschwellige«. Überdies agiere es außerhalb von Raum und Zeit. Caratelli erklärt uns das so:

Das »subliminale Ich« besitzt, wie daraus folgt, die Fähigkeit, direkt in Kontakt mit »Allem, was da ist« zu treten, schickt dem Bewusstsein aber nur so viel von diesem »Allen« zu, wie dieses verarbeiten kann. Dennoch bleibt der größte Teil dieser Inhalte während des Verlaufs der menschlichen Existenz inaktiv. Die beiden Bestandteile, die die Persönlichkeit ausmachen, verhalten sich jedoch in ihrer Zusammenarbeit in perfektem Gleichgewicht und in perfekter Harmonie, und eine Synthese erreichen sie im »Großen Ich«, das in Myers Vorstellung den physischen Körper überlebt.

Es sei unlogisch, meinte Myers, sich vorzustellen, dass dieser immense Reichtum des Subliminalen durch den Tod einfach verlorenginge. (Er selber sprach viel darüber zu Geraldine Cummings, 30 Jahre nach seinem Tod.) Damit sagte der englische Gelehrte, dass womöglich die Seele und der göttliche Anteil des Menschen im Unbewussten, im Unterschwelligen schlummern. Nach dem Tod komme alles zusammen, und der Mensch sei endlich ein Ganzes. Das ist natürlich von der Gelehrtenwelt nicht beachtet worden, und Freud blieb leider völlig auf der irdischen Ebene, so verdienstvoll seine Forschung auch gewesen sein mag. Ihr habt das Himmelreich in euch, lehrte Jesus Christus. Es lebt vielleicht in den uns nicht bewussten Regionen unserer Psyche, und wir ahnen es, und in Träumen und Visionen zeigt es sich uns.

 

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