Der Weg

Bleiben wir bei der Bibel und den Religionen. Eine Fußnote unten auf Seite 1237 meiner Bibel ließ mich aufmerken … und wie immer verspätet kam das, die Information wartete hoffend an meinem Bewussteins-Tor, pochte leise, und … ich ließ sie ein. Schaute nach und freute mich. Der Weg zu G*tt. Unser Leben ist ein Weg, wir sind der Weg. 

CIMG0600Da unten auf der Seite stand unschuldig:

»Der Weg« ist in der Apostelgeschichte die Bezeichnung für die christliche Lehre.

Es war ein Kommentar zum Saulus, der die »Anhänger des (neuen) Wegs« zu verfolgen trachtete (9,2), bis ihn im nächsten Satz der Apostelgeschichte (9,3) sein »Damaskus-Erlebnis« zuteil wurde.

Jesus Christus sagte ja selber (Johannes 14,6):

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich.

Die Gnosis (griechisch: Erkenntnis) war eine Konkurrentin des frühen Christentums. Sie sah die Welt als feindlich an; die Seelen sind in die Körper gebannt und müssen befreit werden. Im innersten Raum leidet der Mensch, und dorthin muss ein Erlöser vordringen, der im Nassarenerhymnus so spricht:

CIMG0599Deswegen sende mich, Vater!
(…)
Und die Geheimnisse des heiligen Weges,
Gnosis genannt, will ich kundtun!

Das Tao-te King, Urtext des chinesischen Taoismus aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, fängt mit dem Satz an:

Der Weg, der benannt werden kann,
ist nicht der ewige Weg;
der Name, der genannt werden kann
ist nicht der ewige Name.

DSCN3407Tao wird mit Weg umschrieben, und das Tao ist eben unnennbar und unbeschreiblich, paradox und nur mystisch erfahrbar.

Buddha warnte vor einem Leben des Vergnügens ebenso wie vor einem Leben der Selbstbeschämung. Der mittlere Pfad sei anzustreben. Er sagte seinen Mönchen:

Der mittlere Pfad ist in Wirklichkeit der achtfältige Pfad. Das ist richtiges Sehen, richtige Absicht, richtige Sprache, richtige Handlung, richtige Liebenswürdigkeit, richtige Anstrengung, richtiges Gewahrsein und richtige Konzentration.

Im Islam taucht der Weg im sechsten Vers der wichtigen ersten Sure auf, der Fatiha.

IMG_1185Zeig uns den geraden Weg.
(Ihdina alssirata almustaqeema.)

Im 7. Vers, dem letzten der Eingangssure, wird gesagt, es sei »der Weg derer, denen Du Deine Gnade zuteil werden hast lassen, die sich vom Zorn fernhalten und nicht vom Weg abkommen«.

An vielen Stellen des Koran taucht der Weg auf, etwa in der 23. Sure:

Ich hoffe, dass G*tt der Herr mir den richtigen Pfad weist.
(AAasa rabbee an yahdiyanee sawaa alsabeeli.)

Oder, Sure 40:

Ich führe euch auf den richtigen Pfad.
(ahdikum sabeela almashadi.)

Leider gibt es dann auch die Stellen, wo die, die auf dem »Weg des Herrn« kämpfen, töten und sterben, gepriesen werden.

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20240407_140728Der richtige Weg führt zur Erlösung, aber der Glaube ist selber auch der Weg, und das Vorankommen auf diesem Weg ist nur innerlich zu erreichen. Wir sind auf einem Weg (und sind der Weg) und wissen nicht, wohin er uns führt. In der persischen Religion wandern die Gläubigen zum heiligen Berg Qaf, und nicht selten finden sie sich unvermittelt wieder am Ausgangspunkt. In der Zwischenzeit indessen ist viel geschehen; die Seele hat sich gereinigt und kann nun ihrem himmlischen Pendant gegenübertreten. (Bild: Der Mann in Blau in der Mitte ist mein Neffe Steffen beim Freiburg-Marathon Anfang April. Da hatte er gerade eine kleine Krise.)

In unserer Gesellschaft hat sich der Spruch »Der Weg ist das Ziel« eingebürgert und wird locker dahergesagt. Leider wird er dadurch beschädigt, dass in der Konsumgesellschaft hochpreisige Objekte, die nur beim Leben helfen sollen, von der Industrie zu Zielen (v)erklärt werden: wie Autos zum Beispiel. Diese Schizophrenie steckt im System. In der Gralssage schon wird uns gesagt:

Der Weg des Grals ist die Suche nach ihm.

∃ É

Auch andere können etwas dazu beitragen. Nancy Freier schrieb im Inner Voice Magazine (April-Ausgabe) über eine Krise, die sie durchlebte; sie sei durch ein Tal gegangen, meinte sie, doch:

Was auf dem Weg liegt, liegt auf dem Weg! Alle fragmentierten Einzelteile; die Bandbreite der Emotionen, — Erregung und Erstarrung, Auf und Ab, alle (scheinbaren) Umwege und Abwege SIND der Weg!

Und Bruce Chatwin vermerkte in seinen Tagebüchern:

Ein Pilger auf dem Hadsch (die Reise nach Mekka) hat den Urzustand des Menschen wiedererlangt: wenn er auf dem Hadsch stirbt, geht er als Märtyrer direkt in den Himmel ein. Aähnlich wurde Der Weg zuerst als ein technischer Ausdruck für »Straße« oder »Wanderpfad« benutzt — bevor die Mystiker ihn sich zu eigen machten und damit den »Weg zu Gott« bezeichneten.

 

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