Der Arzt und der Tod

Nein, es geht nicht nur über den Arzt und den Tod, um mehr geht es, und ich beziehe mich auf Arnold Mindell und sein Buch The Dreambody. Er wiederum interpretiert das Grimm-Märchen Der Gevatter Tod, das bei manipogo bereits vorgestellt wurde. Das sollte man als Vorbereitung vielleicht überfliegen: hier

Wie kennen nun also das Märchen. — Arnold Mindell schreibt, das Schicksal des Arztes erinnere ihn an den Heiler Äskulap, der von dem Zentauren Chiron Zauberkräuter bekam und von Athene das heilende Blut eines Ungeheuers. Doch der Unterweltgott wurde bald zornig, weil Äskulap viele Menschen heilte, auf die Hades (oder Pluto) schon gewartet hatte. Also tötete er den Heiler.

gevattertodDer Tod schleicht in der Unterwelt umher, entzündet Kerzen und lässst andere erlöschen. Hier erwähnt Mindell, dass das Anzünden einer Kerze im Yoga Shaktipat genannt wird; Shakti oder Kundalini ist die Kraft, die in jedem Menschen schlummert. Sie muss erweckt, die Kerze muss angezündet werden, und oft gelingt das einem erleuchteten Wesen, einem Guru. Mindell führt aus:

Das Leben wird »entfacht«, sobald der Tod in der Nähe ist. Tod, Merkur, Chiron oder der Guru können alle Menschen sein, die in einer Beziehung zu ihem Körper, »Atman« oder Selbst stehen. Solche Menschen sind weder gut noch böse — ja, sie sind nicht einmal in sozialer Hinsicht auf andere bezogen. Sie sind einfach sie selbst. … Es sind diejenigen, die ihrer Lebensenergie folgen und sich nicht den gesellschaftlichen Spielregeln unterwerfen.

Der Körper lehre über sich selbst, sobald man ihn ausbilde. So entdecke man, schreibt der Autor, seine Grenzen, seine »Sterblichkeit und Todesnähe«, aber auch die körpereigene Intelligenz. Der Yogi solle »ein Toter im Leben« werden, und Mindell erläutert das so:

Die Vorstellung, ein »Toter im Leben« zu werden, bedeutet natürlich nicht, tatsächlich zu sterben, sondern die Freiheit des Todes zu erfahren, indem sich die wirkliche Persönlichkeit vom Körper und von allem Tun dieser Welt unterscheidet. Ein Toter im Leben zu werden, heißt schlicht, den Tod zu integrieren. 

Don Juan sagt bei Castaneda:

Der Tod ist der einzige weise Ratgeber, den wir haben. Immer wenn du, wie es bei den meisten der Fall ist, das Gefühl hast, dass alles falsch läuft und dir das sichere Ende bevorsteht, dann wende dich an deinen Tod und frage ihn, ob das zutrifft. Der Tod wird dir sagen, dass du unrecht hast, dass nichts wirklich wichtig ist außer seiner Berührung.

Wo steht der Tod? Im Märchen am Kopfende, wenn der Kranke geheilt wird; am Fußende, wenn es keine Aussicht auf Heilung gibt. Der Arzt im Märchen wollte die Königstochter heilen, daher seine Todesstrafe. Mindell meint, manchmal solle der »Doktor« zugeben, dass

DSCN4764er nichts weiß, was dieser Person helfen könnte, und dass die Situation dem Schicksal überlassen werden sollte. Ein solches Geständnis ist oft belebend für beide, Klient und Analytiker. So fremd und erstaunlich das klingen mag, es gibt doch häufig ein »gewisses Etwas« in vielen Kranken, das in Wirklichkeit keine Hilfe will. Sie reagieren oft zornig auf jede noch so gute Hilfe! … Jede Form von Hilfe verhindert dann in der Tat eine Entwicklung. Solche Situationen sollten dem Tod überlassen werden, das heißt einem spontanen Funken in der Psyche oder im Körper des Klienten.

Wenn der Tod am Fußende steht und der Arzt das ahnt, leidet er. Er fühlt sich ohnmächtig und schiebt alles dem Patienten zu, indem er ihm kühl sagt: »Sie haben noch zwei, höchstens drei Monate.« Selber schuld. Es gibt Patienten, die sagen sich: Jetzt erst recht! Doch die meisten brechen zusammen. Die wenige Hoffnung, die es gab, hat man ihnen genommen. Was kostet es schon, jemandem zu sagen: »Wunder gibt es immer wieder, eine Chance haben Sie …«  Wir haben oft von Patienten gehört, die eine solche Prognose ignorierten, die viel länger lebten. Von denen, die »programmgemäß«sterben, weil ihnen das eingeredet wurde, hören wir nichts. (›Es war zu erwarten. Wir haben es ja gewusst.‹)

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