Erklärt Pereira

In den drei Links, die ich gestern anbrachte, kommt immer der Film Erklärt Pereira nach Antonio Tabucchi vor, und nie hatte ich über ihn geschrieben. Man kann ihn auf Youtube sehen, leider nur in einer schlechten italienischen Fassung mit spanischen Untertiteln. Roberto Faenza hat ihn 1995 mit Marcello Mastroianni in der Titelrolle gedreht, der im Jahr darauf starb. Der Trailer kommt hier.

Eine Stimme aus dem Off sagt, während wir Mastroianni sehen, von Zeit zu Zeit: »Pereira erklärt, dass er … « Pereira hat Grundsätze und ein geregeltes Leben mit einem befriedigenden Job, der ihn nicht allzusehr anstrengt (ein bißchen wie Herr José) : Er schreibt Kulturberichte für eine Zeitung in Lissabon. Allerdings ist es die Zeit um 1940; seit 1932 herrscht mit General Salazar ein harter, autoritärer Mann, der zu Deutschland Beziehungen pflegt und sich neutral gibt. Geht das? Das mächtige Spanien hat gerade seinen blutigen Bürgerkrieg hinter sich gebracht, die Deutschen sind in Paris einmarschiert, und Lissabon ist für alle wichtig, die den Kontinent in Richtung Amerika verlassen wollen. Lissabon ist eine Hoffnung.

Pereira hat seine Frau verloren und spricht jeden Tag mit ihr (mit ihrem Bild unterhält er sich) und schreibt seine Berichte, besucht wegen seiner Gesundheit die Thermen, knüpft eine Beziehung zu einem begabten jungen Schreiber an und lernt eine junge Widerständlerin kennen. Der scheue, der Kultur hingegebene Redakteur Pereira hält sich aber aus allem raus … bis der junge Journalist einen Freund anschleppt, den Pereira verbergen soll. Er ist ja ein gutmütiger Mann, der jedoch bald die Fratze des Bösen kennenlernen wird und plötzlich empört ist. Der scheinbar unpolitische Feuilletonist erkennt, dass alles Politik ist und dass er die Pflicht hat, zu handeln.

Mastroianni spielt den Pereira wunderbar, mit all seinen Marotten und Tagträumen. Wir sehen ihn am Ende, wie er fluchtartig seine Wohnung verlässt, auf der Flucht auch er. Seine Tat mag nicht viel verändert haben, aber für ihn war sie wichtig, er kann hocherhobenen Hauptes weitergehen, hat sich seine Würde und sein Menschsein bewahrt. Wie viele waren nicht kleinmütig, arrangierten sich, kamen durch damit, überlebten, doch sie wussten selber, dass sie versagt hatten angesichts der Gewalt und dass es dafür keine Entschuldigung gibt. Also wieder, wie gestern, eine Geschichte aus Lissabon, das ich nicht kenne und heute eine Hauptstadt mit viel Tourismus ist, aber auch voll mit Geschichte.

Salazar unterhielt sein Regime mit harter Hand bis 1968, als er erkrankte, und das ihm folgende Militärregime blieb bis zum April 1974, als die Nelkenrevolution begann: alles in allem eine ähnliche Geschichte wie im großen Nachbarland Spanien, das Diktator Franco sogar problemlos von 1933 bis 1975 regierte. Bis beide Länder demokratisiert waren, hat es einige Zeit gedauert. Auch dabei brauchte man Menschen mit Zivilcourage.

 

 

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