Kuba und das Rad

Das Heft 4/2024 der Radwelt (Organ des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC) enthält ein Gespräch mit der kubanischen Fahrradaktivistin Daniela Oliva von Velo Cuba. Das ist doch mal was Exotisches! Man kann auf Kuba gut Rad fahren, nimmt aber am besten ein eigenes Rad mit. (Sage ich.)

Daniela Oliva sagte:

Velo Cuba wurde 2014 von unserer aktuellen Leiterin Mayvis Diaz gegründet. Sie startete mit einer anderen Frau eine Werkstatt für Fahrräder, was in Kuba als Männerarbeit gilt. Da es in Kuba keine Fahrradindustrie gibt, müssen wir unsere Fahrräder oft reparieren und Jahre nutzen. Die meisten Fahrräder sind Flickwerk. Velo Cuba hatte das Glück, einige Räder als Spende zu erhalten und konnte 2018 beginnen, sie zu vermieten.

Perfekt: Frauen und Fahrrad, zwei manipogo-Themen vereint! Nun gibt es einige Stationen, an denen man ein Rad mit Vertrag entleihen – und es anderswo wieder abgeben – kann. In den 1990-er Jahren habe es eine Krise auf Kuba gegeben, und die Kubaner assoziierten die schlechte Zeit mit den Fahrrädern. Das ist überall so: Mit einem Rad bist du der arme Hund. Ein Auto zeigt deinen (männlichen) Status.

Wir waren 2002 auf Kuba, und unser Hotel in Holguin bot sogar Leihräder an. Da standen vielleicht 30 altersschwache, ungepflegte Räder in einer Reihe, und daneben lag ein Mitarbeiter im Gras und kaute an einem Grashalm. Eine Ausfahrt war möglich, ich wählte das am wenigsten angeschlagene Rad. Hat Spaß gemacht.

Die Kolleginnen von Daniela Oliva bringen Kindern das Radfahren bei. Manchmal mieten Kubaner ein Rad, und die ganze Familie nutzt es. Fernziel wäre eine Fahrradfabrik. Frau Oliva war über ein Stipendium in Deutschland und kam in Kontakt mit dem ADFC Berlin. Auf Kuba gibt es kaum Freiwillige. Alle sind angestellt, vermutlich für ein paar Pesos. Hauptreisezeit ist November bis Mai; die Sommermonate sind zu heiß und schwül. Velo Cuba ist über What’s App erreichbar. Ein Appell:

Wir wären sehr dankbar, wenn Kubareisende ein altes Fahrrad, Werkzeug oder alte Fahrradteile für unsere Werkstätten mitbringen könnten. Jede Spende ist willkommen. Velo Cuba hat wenig Ressourcen, setzt diese aber effizient ein. So können zehn Fahrräder 50 Kindern und ihren Familien das Radfahren ermöglichen.

Sogar an Rädern fehlt es in Kuba! Armes Land. 2002 dachten wir darüber nach, wie es sein wird, wenn der Dollar und der große Tourismus kommt. Das war doch denkbar. Im September 2015 wurde Parts Unknown mit Anthony Bourdain auf CNN gesendet, wobei es natürlich nicht um Fahrradteile ging, sondern um unbekannte Weltgegenden wie Kuba. Anthony war wieder einmal optimistisch und malte sich schon aus, zwei Nachtklubbesitzer würden bald Millionäre sein. Er war ja manchmal etwas blauäugig, aber seinerzeit waren die Hoffnungen begründet, denn einige Monate zuvor hatten die USA (unter Obama) und Kuba wieder Handelsbeziehungen aufgenommen.

Dann kam Trump, wiederrief alles und verschärfte das frühere Embargo, und nächstes Jahr wird er das wiederholen und von Kuba Maßnahmen verlangen (was Prädident Obama nicht getan hatte). Das Land ist ärmer als je zuvor, die Läden seien leer, erzählen Touristen, der Strom fällt aus und die Häuser sind allesamt baufällig. Kuba wird abgestraft, weil es sozialistisch ist, doch es ist auch ein korruptes Land mit unfähiger Regierung. Aber was für ein großartiges Land es doch ist, mit Stil, Musik und Lässigkeit! Mit ein paar Milliarden ließe sich da vieles bessern.

∅ ∅

Ach ja, in dem Heft 4/2024 wurde auch über die Verkehrsprognose 2040 berichtet, die der Verkehrsminister Ende Oktober 2023 vorgestellt hatte. War mir entgangen. Der Autoverkehr soll nicht steigen (er ist wohl schon am Limit), der Lastwagenverkehr allerdings um 34 Prozent. Ist das möglich? 30 Prozent mehr Flugreisende, 60 Prozent mehr Bahnreisende. Wie soll das gehen, sind ja jetzt schon überall Verspätungen! Aber solche Prognosen extrapolieren immer nur, sie arbeiten mit den derzeitigen Steigerungsraten.

Mit Krisen und Zäsuren rechnet man nicht. Darum ist das alles ungewiss. Auch, ob ich da noch anwesend sein werde. 2040 wäre ich dann 83, und ob ich noch ein Rad bewegen würde? Armando Basile schafft das, der ist 77-jährig vergangenes Jahr 2 Monate durch Frankreich gefahren, 50 Tage mit 5000 Kilometern, 100 jeden Tag. Chapeau! (Hut ab!)

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.