Der gute Hirte
Nun doch noch etwas Ermutigendes und Positives für die Zeit »zwischen den Jahren«. Ich entdeckte einen Kurzfilm, der in den Bergen Libanons spielt und einen Schäfer als Hauptperson hat. Er ist Der gute Hirte (The Good Shepherd), wie der Film heißt. Er dauert nur 22 Minuten und hat englische Untertitel, die nur manchmal etwas schwer zu lesen sind. Doch das Wichtigste kriegt man mit.
Der Regisseur heißt Ever Anvelt und kommt aus Estland. Seine Filmografie und sein Porträt finden wir hier. Der Film ganz unten, der von 2018 mit dem Titel Hea karjane ist der, den ich meine. Und auf Youtube können wir ihn hier sehen. Das wären alle relevanten Links.
Wir denken zuerst an iranischen Film Die Saat des heiligen Feigenbaums, der vor kurzem auf manipogo vorgestellt wurde. Iman, der frischgebackene Untersuchungsrichter, soll ein Todesurteil unterzeichnen. Sein Vorgänger weigerte sich und wurde entlassen. Iman unterschreibt und sagt zu seiner Frau: »Was kann ich machen?« Doch man spürt, dass er darunter leidet. Ein System, das auf Unrecht basiert, zerstört alle, die ein Herz haben.
Dagegen setzen wir nun den Schäfer Ibrahim, den Said Serhan spielt. Zu Beginn des Films untersucht er ein Schaf, das augenscheinlich krank ist. Er liebt seine Schafe. Sein Bruder Tareq stattet ihm einen Besuch ab. Ibrahim sagt ihm, von seinem Vorschlag wolle er nichts wissen. Tareq verspricht ihm Geld; er habe doch Geldsorgen? Zwei Tage, dann sei alles vorbei. Er müsse nur mit seinem Hof als Zwischenstation »für eine Ware« dienen. Leicht verdientes Geld.
Der andere Bruder, Omar, redet in einem Café auf ihn ein, großspurig. Alles in Allahs Hand. Was bleibt zu tun? Es ist Familie. Wenn die Brüder versprechen, dass es okay ist, wird es schon stimmen. Ibrahim stimmt also zu. Also trifft am nächsten Tag ein Lieferwagen bei ihm ein, und zwei bewaffnete Männer springen heraus.
Ihr könnt den Film ja anschauen, 22 Minuten, dann müsst ihr jetzt aber zu lesen aufhören. Spoiler Alert! Der Rest der Geschichte wird unter dem Bild mit den Schafen erzählt. (Oder ihr schaut euch den Film an und lest dann den letzten Teil hier unten).
Die Männer springen aus dem Auto und lassen vier andere aussteigen, prügeln sie heraus. Ein Bewaffneter tritt einem Gefangenen mehrmals in den Magen; Ibrahim hält das nicht aus und hilft ihm. Die Männer sollen hier kurz Unterschlupf inden und werden am nächsten Tag gegen Mitternacht abgeholt. Das sagt Tareq seinem Bruder und steckt ihm sogar eine Pistole zu.
Ibrahim sitzt da und grübelt. Er raucht und denkt nach. Und der gute Hirte denkt zum Glück nicht zuviel nach. Er handelt und reißt gegen Abend die Tür auf und ruft: »Come!« Die Gefangenen, anscheinend Leute aus dem Westen, junge Männere mit Bärten, stolpern heraus. (Vermutlich will man Lösegeld für sie.)
Ibrahim herrscht sie an, sie sollten in den Wald gehen, über die Berge, zu dem roten Licht. Er gibt ihnen seine Pistole. »Go!« Sie gehen. Und der gute Hirte wendet sich ab, betritt sein Haus und sagt zu seiner Frau: »Wir müssen packen. Wir müssen weg von hier.«
Er lässt seine Schafe zurück und sein Haus, er bricht mit seinen Brüdern (sie werden ihn hassen), doch er ist seinem Gewissen gefolgt. Wie sagte Jesus Christus: »Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe.« Und: »Lasst alles zurück und folgt mir nach.« Dieser Weg kostet einen hohen Preis, aber besser wir verlieren Dinge statt unsere Seele. Ibrahim opferte seine Existenz, doch er gibt ein Beispiel. Das Gute zu tun ist einfach, wenn es keinen Widerstand gibt; das Böse nicht zu tun ist schwer, wenn man dafür zahlen muss. Es gab sie immer, diese »Gerechten unter den Völkern«, aber sie sollten keine Ausnahme sein.
