„Spukig“ in Kaysersberg
Das Wort spukig existiert nicht im Deutschen, das habe ich erfunden, weil es damit ähnlich klimgt wie das englische spooky. Der US-Autor Charles Leerhsen hat so etwas im Elsass erlebt, in Kaysersberg. Gemeinhin taucht so etwas in einem Grusel- oder Horror-Film auf, da gehört es hin. Aber wie viele Menschen haben nicht »Spukiges« erlebt!
Leerhsen wollte ein Buch über das Leben von Anthony Bourdain schreiben, der es sich in einem Hotelzimmer in Kaysersberg im Elsass genommen hatte. Es ist dann 2022 erschienen, und Down and Out of Paradise heißt es. Treffender Titel, denn Bourdain hat immer wieder Traumorte an fernen Küsten aufgesucht und sich die Frage gestellt: Ist das das Paradies? Einer seiner Gesprächspartner sagte: Das Paradies ist kein konkreter Ort, es ist ein seelischer Zustand. Wie wahr.
Für Recherchezwecke mietete sich der Autor ein Jahr nach dem Tod Bourdains in ebendem Zimmer im Hotel Le Chambord ein, in dem der Starkoch und Weltreisende seine letzte Nacht verbracht hatte. Ich bin eher zufällig darauf gestoßen. Einem Journalisten erzählte Leerhsen:
Ja, es war etwa ein Jahr später, aber es war befremdend. Es war seltsam, etwas in dem Erlebnis fühlte sich an wie aufgeladen. Ich will nun nicht dick auftragen und sagen, dass ich seine Anwesenheit gespürt hätte. Aber während ich auspackte, fing die Tür zum Badezimmer an, sich von selbst zu bewegen, und das mit einer solchen Kraft, dass sie aus der Schiene sprang und irgendwie in meine Richtung zeigte.
Ich musst darüber fast lachen und sagte laut: »Ist das Tony, der nach einer Umarmung verlangt, oder will er mich vertreiben und mir sagen: ›Zur Hölle, verschwinde von hier!‹« … Du übernachtest da, um in seinen Schuhen zu gehen. Du kriegst keine Informationen damit, aber du hast das Gefühl, erst dann das Recht zu haben, über jemanden zu sprechen, wenn du ihm in seinen Schuhen gefolgt bist.
Mehr ist anscheinend nicht passiert. Im Badezimmer hat sich der Suizid ereignet. Die Bewegung der Tür ist wirklich unerklärlich. Dass Türen wie von Geisterhand auf- und zugehen, das kennen wir aus Horrorfilmen, die ihr Material jedoch dem Leben entnahmen. Übrigens hat sich Bourdain ja aus dem Jenseits geäußert, und ich glaube, dass das wahr ist. (In einer anderen Message an Cosmic Voices Network berichtet Matthew Perry am 3. März 2024, nach seinem Tod sei er von Robin Williams empfangen worden, und Christopher Reeve kam dann auch noch vorbei. Leben geht weiter!)
Tony hat selber gern gesagt: Iss mit jemanden etwas, so kommt ihr euch nahe; oder geh ein paar Meter in seinen Schuhen (übrigens eine Redewendung amerikanischer Indianer). In dem mexikanischen Film Die Todesschwester bezieht ein junges Mädchen die Zelle einer Nonne, und dann fällt immer ein Stuhl um; es war der, auf den die Nonne gestiegen war, um sich umzubringen. Das heißt nun nicht, dass Bourdain in diesem Hotelzimmer spukte. Doch er war vermutlich an dem Menschen interessiert, der sein Leben ausbreiten wollte und gab ihm ein Zeichen, was immer das bedeuten mochte.
Ein Jahr nach dem Tod sind die Verstorbenen vielleicht immer noch unruhig. Einmal war bei uns in der Nähe eine junge Frau mit dem Wagen mutwillig in den Wald gerast und war gestorben. Ihr Schicksal bewegte mich; ich fuhr dorthin, wo sie gelebt hatte, besuchte die Unglücksstelle, nahm sogar Teile an mich, die ich im Wald fand, etwa den Ganghebel, den sie wohl noch zuletzt in der Hand gehalten hatte. Dann besuchte ich ihr Grab und setzte mich in der Nähe auf eine Bank. Vor mir war ein Brunnen, und plötzlich bewegte sich eine Gießkanne, die am Rand gestanden hatte. Sie rutschte gemütlich ein paar Zentimeter und plumpste ins Wasser. Ohne Fremdeinwirkung. Ich dachte mir: ein Zeichen von ihr. Ich lebe noch! Natürlich nicht auf dem Friedhof; aber sie spüren, wenn man an sie denkt und können herbeikommen.
Zuweilen lagen die Bilder meiner Mutter und meines Vaters platt auf dem Fenstersims. Zuvor waren sie aufrecht gestanden. Mehrmals waren Dinge verrückt, und das liegt nicht an meiner Schlampigkeit. Manchmal waren es eindeutig Zeichen. Wir sind bei dir. Das kann man sich nicht immer vorsagen, aber spukig ist es schon, sich vorzustellen, dass man von Unsichtbaren beobachtet (und beschützt) wird.