Prometheus

Bei den Griechen der Antike brachte Prometheus den Menschen das Feuer und wurde dafür von Zeus bestraft, dem Obergott. Als ich bei Gustav Schwab nachlas, entdeckte ich verblüfft, dass Prometheus uns Menschen erschuf! Und dann das Gedicht Prometheus von Johann Wolfgang von Goethe, das mit den bekannten Worten anfängt »Bedecke deinen Himmel, Zeus …«. Das müssen wir interpretieren.

Gustav Schwab (1792-1850) fasste die Sagen des griechischen Altertums so treffend zusammen, dass sein Werk über 100 Jahre in allen Schulen maßgebend war. Er gab zu, er habe »Kürzungen und Milderungen der grausamen und erotischen Passagen vorgenommen«. Den Beginn von Prometheus zitieren wir:

Himmel und Erde waren erschaffen, das Meer wogte in seinen Ufern, und die Fische spielten durch die Fluten. In den Lüften sangen die Vögel, und die Feste wimmelte von Tieren. Aber noch fehlte es an Geschöpfen, in deren Leib der Geist Wohnung nehmen und von ihm aus die Welt beherrschen könnte. Da stand Prometheus auf. Er war ein Sprössling jenes älteren Göttergeschlechts, das von Zeus entthront worden war, und kluger Erfindungen voll.
Prometheus, ein Sohn des erdgeborenen Japetes, wusste, dass im Boden unter seinen Füßen der Same des Himmels vielfältig schlummerte. Er nahm deshalb vom Ton auf, befeuchtete und knetete ihn und formte daraus den Menschen nach dem Ebenbild der Unsterblichen, der Herren der Welt. Um seinen Erdenkloß aber auch zu beleben, entlehnte er von den Tieren gute und böse Eigenschaften und senkte sie in die Brust des Irdischen ein. Unter den Göttern hatte er eine Freundin, Athene. Sie bewunderte die Schöpfung des Titanensohnes und blies dem halbbeseelten Bilde den Geist, den Atem ihrer Weisheit ein. 

Prometheus unterrichtete seine Geschöpfe, und allmählich wurden droben auf dem Olymp die Herren (und Damen) auf die Menschen aufmerksam. Leider verärgerte Prometheus den allwissenden Zeus, der daraufhin den Menschen das Feuer verbot. Prometheus aber nahm den Stengel eines Riesenfenchels und entzündete ihn am Sonnenwagen, der glühend vorüberrollte. Und er brachte das Feuer hinunter zu den Menschen. Damit verärgerte er Zeus bis zur Raserei.

Zeus, der Wütende, ließ die schöne Jungfrau Pandora entstehen und schickte sie mit einer Büchse hinunter. Kaum hatte ein Mensch die Büchse geöffnet, entfleuchten ihr alle schlimmen Dinge: Krankheit, Krieg, Tod. Prometheus wurde dazu verurteilt, an einen Felsen geschmiedet zu leben, während ihm jeden Tag ein Adler ein Stück der Leber wegfraß. Das sollte 30.000 Jahre mindestens dauern. Er sagte dazu nur stoisch: »Des Schicksals Beschluss muss man tragen.« Dem Zeus wollte er sich nicht beugen. Jedoch dauerte es nicht ewig; Herakles kam, tötete den Adler und befreite Prometheus. Und nun sehen wir uns an, was Goethe daraus machte. Das Stück ist ähnlich lang wie das gestrige von Schiller.

Prometheus

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Musst mir meine Erde
Doch lassen stehn
Und meine Hütte,
die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wusste, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber war
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider
der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle Knabenmorgen
Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

 

Aha, das spielt also um die Zeit der Erschaffung der Menschen. Prometheus lehnt sich auf gegen Zeus. Was habe ihm der schon geholfen? Die Zeit und das Schicksal waren es, die ihn formten. Prometheus will die Menschen nach seinem Vorbild erschaffen: als unabhängige Wesen, die frei sind und wie er den Obergott nicht achten. Das klingt trotzig und konnte so gelesen werden: als Abkehr von einem unbarmherzigen Gott, für den Zeus steht. Goethe war damals etwa 25 Jahre alt, also noch jung und in der Phase der Rebellion.

 

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