Meeres Stille – und das Tosen

Wie beim Feuer wollen wir uns auch beim Wasser von »Goethen« und Schiller helfen lassen. Ihnen blieb kein Phänomen verborgen. Zwei Auszüge, damit der Klassik genug getan sei. Doch dann hat es mich doch gereizt, den Anfang von Schillers Der Taucher in der Version von Heinz Erhardt darzubieten.

Goethe war eher eine besinnliche Natur. Bei Schiller spritzt und tobt es dann.

Meeres Stille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuren Weite
Reget keine Welle sich.

Den Anfang von Der Taucher hat Heinz Erhardt (1909-1979) köstlich persifliert:

Wer wagt es, Knappersmann oder Ritt, zu schlunden in diesen Tauch?
Einen güldenen Becher habe ich mit, den werf ich jetzt in des Meeres Bauch!
Wer ihn mir bringt, ihr Mannen und Knaben,
der soll meine Tochter zum Weibe haben!
Der Becher flog.
Der Strudel zog
ihn hinab ins greuliche Tief.
Die Männer schauten,
weil sie sich grauten,
weg. –

Und abermals der König rief:

Wer wagt es, Knippersmann oder Ratt, zu schlauchen in diesen Tund?
Wer´s wagt – das erklär ich an Eides Statt –
darf küssen meines Töchterleins Mund!
Darf heiraten sie. Darf mein Land verwalten!
Und den Becher darf er auch noch behalten!

Ein Jüngling meldet sich und taucht hinab. Lange Zeit gibt es kein Lebenszeichen von ihm, das Schlimmste ist zu fürchten. Wir machen mit dem originalen Schiler weiter:

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Well auf Well sich ohn Ende drängt,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße.

Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß
Da hebet sich’s schwanenweiß,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
Und er ist’s, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.

Und atmete lang und atmete tief,
Und begrüßte das himmlische Licht.
Mit Frohlocken es einer dem andern rief:
»Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele.«

Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
Zu des Königs Füßen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm kniend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
Und der Jüngling sich also zum König wandte:

»Lang lebe der König! Es freue sich,
Wer da atmet im rosichten Licht!
Da unten aber ist’s fürchterlich,
Und der Mensch versuche die Götter nicht,
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.

Es riss mich hinunter blitzesschnell –
Da stürzt‘ mir aus felsigtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reißender Quell:
Mich packte des Doppelstroms wütende Macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen
Trieb mich’s um, ich konnte nicht widerstehen.

Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief,
In der höchsten schrecklichen Not,
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,
Das erfasst ich behend und entrann dem Tod –
Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

Denn unter mir lag’s noch, bergetief,
In purpurner Finsternis da,
Und ob’s hier dem Ohre gleich ewig schlief,
Das Auge mit Schaudern hinuntersah,
Wie’s von Salamandern und Molchen und Drachen
Sich regt‘ in dem furchtbaren Höllenrachen.

Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
Zu scheußlichen Klumpen geballt,
Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,
Des Hammers greuliche Ungestalt,
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.

Und da hing ich und war’s mir mit Grausen bewusst,
Von der menschlichen Hilfe so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der grässlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.

Und schaudernd dacht ich’s, da kroch’s heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir – in des Schreckens Wahn
Lass ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben.«

Der König wirft nun auch noch einen Ring in die Fluten, nicht achtend seiner Tochter, die meint, er könne es doch genug sein lassen … Und der Knabe versucht es erneut und bleibt diesmal unten. Anders ist es in Schillers Gedicht Der Handschuh: Eine arrogante Dame wirft ihren Handschuh mutwillig ins Stadion unter Löwen; ein Kavalier holt ihn todesmutig heraus, bringt ihn ihr zurück und sagt nur indigniert: »Den Dank, Dame, begehr ich nicht.« Hätte sie nun noch ein Taschentuch hinterhergeworfem, hätte der Ritter nur gelacht und wäre davongegangen. Aber ach, vor dem König hat man leider Respekt, auch wenn’s das Leben kostet.

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