Baraya Barray – das Lied des Wals

Wer liest denn noch Gedichte? Dennoch und allem zum Trotz gib es vermutlich auf allen Kontinenten Enthusiasten, die auf schön gemachten Seiten Lyrik anbieten. Da ich länger auf dem Australien-Trip war, fiel mein Auge auf die Seite Red Room Poetry. Schauen wir uns die einmal an.

Ganz ganz unten, ganz ganz klein lesen wir bewundernswerte Sätze:

Red Room Poetry erkennt die Ältesten und die Traditionellen Bewahrer (custodians) der Länder, der Wasser, des Himmels und der Sprachen an, in und mit denen wir arbeiten, leben und schreiben. Wir sind dankbar, mit dem Volk der Ersten Nation zusammenarbeiten zu können und wollen respektvoll deren Regeln befolgen, wenn wir das Land bereisen. 

Die Sydney Review of Books hat das so formuliert (auch ganz klein ganz unten):

Wir erkennen die traditionellen Wächter der Länder an, in denen wir arbeiten, das Burramattagal-Volk der Darug-Nation, und wir statten den vergangenen, gegenwärtigen und erscheinenden Ältesten unseren Respekt ab. Die Landeshoheit wurde nie abgetreten, und die Bemühungen um Gerechtigkeit dauern an. Wir erkennen die traditionellen Wächter der Länder an, die diese digitale Plattform erreicht. 

Das ist eine Anerkenntnis, dass das Land den Ureinwohnern geraubt wurde. – Red Room Poetry bietet Lyrik der Ureinwohner und zeitgenössische Lyrik. Eines ihrer Projekte heißt Barraya Baray – das Lied des Wals. Darüber steht als Motto ein Spruch von Jacob Morris, einem »Sprachwächter« und Angehörigen des Weisheitszirkels der Ersten Nationen. Er spricht über die Ureinwohner, die »Abos« (Aborigines):

So viele von uns haben keine eigene Sprache, und ich sage den Kindern: Du kannst die Person sein, sie ihnen zurückzubringen.

Vorgestellt wird das Projekt so:

Baraya Barray ~ Whale Song ruft den Ursprung der Sprachen der Ersten Nationen in Erinnerung sowie die wichtigen Lektionen, die wir von unserer natürlichen Umwelt lernen können, indem wir unserem Land Augenmerk schenken und die Salzwasser-Songlines der Ostküste singen, die den Reisen der Buckelwale von Lutruwita (Tasmanien) nach Meanjin (Queensland) folgen.

Während des dreijährigen Programms, das in die Internationale Dekade der Sprachen der Ureinwohner fällt, werden Gemeinden an der Ostküste  junge Menschen aus den Ersten Nationen mit Älteren, Sprachwächtern (Language Custodians), Wissenschaftlern, Dichtern und Musikern zusammenbringen, um etwas über unsere ursprünglichen Sprachenvorväter zu hören und von ihnen zu lernen – den Walen.

Aunty Barbara Nicholson ist eine Ältere der Wadi Wadi von den Illawarra. Sie hat 12 Jahre für ihr Projekt Ngana Barangarai Literatur von Häftlingen im Junee Jail gesammelt, die den Ersten Nationen angehören. Ihr Gedicht heißt

Whale Song

Viel wusste ich von dieser meeresgrünen Welt
von ungeheuren Tiefen vom tiefsten Smaragd
hin zu dem Abbruch jenseits der kalkigen Untiefen,
wo die silbernen Strahlen des zunehmenden Monds
die alten Pfade der großen Migration beleuchten.

Ein erhabener Turm sitzt hoch auf der Klippe
perfekt postiert, um weite Blicke zu schenken,
perfekt auch, um sich auf Klänge des Meeres einzustimmen,
die die Luft trägt, und alle sie hören,
vom Turm herab höre ich diese Songs.

Und ich schaue, da die Nacht kommt und die Luft schafft
Schatten des Nichtgesehenwerdens, bis der Mond hochsteigt
und einen Sog erzeugt, der die Sänger aufweckt
aus ihrem Schlummer in der grünen Tiefsee,
und ihr Nachtlied schwebt auf der Brise daher,

und schwebt, trotz der unermüdlichen Brecher
gegen harte Felsen und körnige Strände,
lauter noch als die Songs an den
sonnendurchtränkten Tagen, eine windgetrag’ne,
meergebor’ne Symphonie, eine Mondlicht-Sonate,
die ausklingt, und ich weiß,
alles ist gut für Gangmangang.

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.