Karl Valentin und die Bäckersfee

In den Band mit Karl Valentins Briefen (Teil der Gesamtausgabe seiner Werke) habe ich nie hineingeschaut. Doch für den Valentinstag 2025 sollte es etwas daraus sein, und zehn Sekunden hat es gedauert, und ich hatte meinen Beitrag. Drei Gedichte (zwei übersandte er Leuten) haben mir gefallen. In Reimen schreiben oder sprechen (wenn man’s kann), das hat Stil.

Dazu fällt mir ein: Letzten Herbst traf ich im Wald einen alten katholischen Pfarrer (weit über 80), der mir erzählte, er und zwei Amtskollegen hätten sich früher gern Gedichte auf Postkarten geschrieben. Man schrieb in Reimen und erwartete eine gereimte Antwort.

Karl Valentin schrieb im Februar 1946 an das Wirtschaftsamt München:

Mir wurden 2 Zentner Kohlen spendiert;
Die Zeit ist vorbei, in welcher mich friert.
Aber, was mach ich im Sommer? Wenn die Witterung heiss?
Das ist unerträglich, – man transpiriert Schweiss.
Vor Kälte erfrieren, vor Hitze verschmachten
Sind Gegenteilspole, die sind zu beachten!
Drum bitt ich im Sommer um 10 Zentner Eis
O, glücklich der Mensch, der zu helfen sich weiss.
Ihre Hilfe tat wohl – sie hat Zweck und hat Sinn;
Ich danke ergebenst !

Karl Valentin.  

Am 20. Oktober 1940 an den geistreichen Journalisten Eugen Roth (den mit seinen lustig-hintergründigen Reimen, 1895-1976):

Entzückend wieder ist Ihr Buch!
Ich hab darob gelacht genuch.
Doch ich gesteh zu meinen Schanden,
Dass einiges ich nicht verstanden.
Das macht nix, komm‘ schon noch dahinter,
Es kommt ja jetzt ein langer Winter.
Tu’s ich im Frühjahr noch nicht haben,
So kann ich ja bei Ihnen fragen!
Der Inhalt ist fast etwas z’hoh
Denn er bringt Weisheit schon en gros;
Doch Weisheit, das sind keine Dinger,
Sonst hießen sie Weisheitinger.
Und schreibt man Ferdl noch voraus,
Entsteht ein Humorist daraus;
Der Bücher rausgibt nach Gewicht
Das heisst, nach des Verlegers Pflicht.
Und welche Schicksalsironie
Verkauft er mehr, als Sie und I!
Und hier beend‘ ich mein Gedicht,
Denn weiter dichten mag ich nicht!
Es hätt‘ ja schließlich keinen Sinn!
Mit deutschen Gruß – Karl Valentin.

Der deutsche Gruß wurde 1945 in Deutschland und Österreich verboten. In den Jahren zwischen 1940 bis 1945 musste man am Ende eines Briefes die Formel H. H. schreiben, wollte man nicht als Regimegegner gelten (das machte K. V. auch.). Nun noch etwas Unpolitisches, vermutlich 1945, als nicht immer genügend Brot gebacken wurde:

An eine Bäckerstochter

An Martha!

Beim Bäcker Drechsler in Planegg,
vom Rathaus vis a vis,
weils dort das beste Hausbrot gibt,
drumm laufens alle hi,
s’is alle Tag der Laden voll,
bis zu der Eingangstür,
dieselbe knarzt schon viele Jahr,
da fehlts halt an der Schmier.
Das Brot ist meistens ausverkauft,
die G’schicht is net zum Lacha,
da schimpft die Kundschaft, und es hoasst,
dann solln’s halt mehra bacha.
Dann sagt die blonde Bäckermaid,
den Spruch kennt scho a jeder,
das Brot is aus. d’Stellasch is leer,
as Hausbrot gibts erst später.
Ja! Ja! Das Bäckertöchterlein,
dös is a ganz a feine,
drum genn auch so viele Herrn
in Bäckerladen eine,
der wo ihr gfällt, den hält sie fest,
allein schon, mit den Blicken
Nur wird ihr das, wie sie es meint,
bei mir zwar niemals glücken,
denn ich schwärm nur für fettes Fett,
das ist mein Lieblingsfutter,
mir ist statt einer Bäckersfee
viel lieba a Pfund Butter.
Mit reschen Semmeln wie sie meint,
könnt sie mein Herz gewinnen,
doch selbst bei solchem Angebot,
wird »Ihr« das nicht gelingen.
Du Martha weisst es ganz genau,
dss ich verheirat bin,
drum schlag dir endlich aus dem Kopf,
den schönen … Fridolin.
Ich bleibe meiner Gatin treu,
ich lass mich nicht verführen,
nur weil doch einmal – keinmal ist,
will ich’s mit dir probieren,
dafür verlange aber ich
Bedienung eine schnelle,
denn wenn der Laden voller Kundschaft ist,
kommt man nicht von der Stelle.
Von nun ab muss das anders werden,
wir machen jetzt von hinten,
du legst die Semmeln naus in Hof
da wer is dann scho finden.

 

 

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