Die Düfte von Algier
Manchmal schaue ich mir am Abend einen arabischen Film mit Untertiteln an, und wenn er gut ist, möchte ich darüber schreiben. Niemand ist gezwungen, es zu lesen, aber mein größter Wunsch wäre, dass jemand sagt: Ich lese alles auf manipogo, davon profitiert man immer! Der erste Film heute heißt Profumi d’Algeri, und Rachid Benhadj hat ihn 2012 gedreht mit Monica Guerritore in der Hauptrolle.
Benhadj, 1949 geboren, ist auch einer jener algerischen Regisseure, die ihr Land verlassen haben. Er hat Italien gewählt, und so erklärt sich auch der italienische Titel und die zum Teil italienischen Darsteller. Ich fand die Einstellungen, die Farben und überhaupt die Kamera-Arbeit großartig, und erst später realisierte ich, dass Vittorio Storaro dafür verantwortlich war. Er ist einer der zehn weltbesten Kameraleute, heute auch schon 84 Jahre alt, und als realtiv junger Mann (mit 61) erhielt er schon einen Preis für sein Lebenswerk.
Die Düfte Algiers sind gutes Kino, wobei natürlich die vielen arabischen Passagen stören, die man nicht versteht und die auch nicht untertitelt sind. (Meine Arabisch-Dozentin Fatima: »Das ist ziemlich Dialekt!« Ach, auch wenn es Hocharabisch gewesen wäre, hätte ich kein Wort verstanden … Dann sah ich kürzlich einen tunesischen Film, den ich noch rezensieren will, und ein Kommentatorin schrieb: »Das ist tunesischer Dialekt, ich verstehe nichts, obwohl ich des Aabischen mächtig bin.«.)
Karima ist eine gefeierte Fotografin, lebt in Paris und wird gebeten, nach Algier zu kommen, in ihre Heimatstadt. Ihr Busenfrend Karim sitzt in der Sahara im Gefängnis und ihr Vater liegt im Sterben. Es wird also eine Begegnung mit der Vergangenheit, mit dem tyrannischen Vater und dem Freund, der sich anscheinend dem islamistischen Jihad angeschlossen hat.
Wir bewegen uns also in einer Frauenwelt, die von den herrschsüchtigen Männern unterjocht wird, und Karima (links, Monica Guerritore) sagt ihrer Freundin: »Wir Frauen müssen das durchkämpfen!« (Nicht nur sie hatten dieses Problem, die halbe Welt litt und leidet unter patriarchalen Strukturen.) Am Ende gehen Frauen auf die Sraße, und Karima schießt Fotos, irgendwie ist es auch ein Fotoreporterfilm wie Blow Up! und Beruf: Reporter von Antonioni. Monica Guerritore, im Januar 1958 geboren, ist in der Netflix-Setie Inganno Gabriella, die einen jüngeren Liebhaber hat. War ein weltweiter Erfolg!
Als zweiten Film wählte ich Pour Djamila von Caroline Huppert, der 1950 geborenen Schwester der Schauspielerin Isabelle Huppert. Der Film ist konventionelles Kino und spielt 1960 in Algier. Die 22-jährige Djamila Boupacha hat angeblich eine Bombe gelegt, die nicht explodierte, wurde festgenommen und 33 Tage lang gefoltert. Die Anwältin Gisèle Halimi verteidigt sie und macht die Folter offenbar, wobei ihr Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre helfen. Die Öffentlichkeit wird mobilisiert, Djamila (Hafsia Herzi) wird nach Frankreich überstellt, im Juni 1961 trotz allem zum Tod verurteilt. Im April 1962 wird sie begnadigrt, was leider auch für ihre Folterer gilt.
Auch in Frankreich wurden wenige grausame Militärs zur Verantwortung gezogen. Ein Kommentator schrieb, die echte Djamila habe den Film kritisiert. Es wird ja immer gestrichen und verändert, damit es filmisch wird. Der Film schreibt das Leben um, er schneidert sich das Leben auf den Leib. Man muss auch Folterszenen ertragen, aber das Positive ist, dass wir kämpferische intellektuelle Frauen erleben, die etwas bewegen.
Eigentlich geht es um die Anwältin, die es wirklich gegeben hat. Gisèle Halimi (1927-2020) wurde als Jüdin in Tunesien geboren und begriff nie, warum sie als Frau weniger wert sein sollte. Sie lehnte es ab, sich einem Mann zu unterordnen, setzte sich für das Recht von Frauen auf Abtreibung ein und schrieb Bücher. 1953 erreichte sie für einen zum Tod verurteilten Tunesier die Begnadigung. Sie unterstützte die Unabhängigkeit Algeriens, saß in der Kommission, die US-Kriegsverbrechen in Vietnam untersuchte sowie in der Nationalversammlung und hatte Posten in der UNO. 1995 wirkte sie für die Gleichstellung von Mann und Frau in Frankreich. Eine bewundernswerte, nachahmenswerte Frau!
