TestpilotInnen (93): Er, Sohn des Armenios

Paul Perry hatte ja die Geschichte des Er erwähnt, denn diese Geschichte, überliefert von Plato, ist die älteste überlieferte Nahtod-Erfahrung. Und immer wieder bemerkte ich, dass sie bei manipogo nicht auffindbar war. Also danken wir der Swiss IANDS, der Schweizerischen Informationslattform für Nahtoderfahrungen. Die Geschichte ist lang, darum drei Teile! Es lohnt sich, alle zu lesen!

[…] Ich will dir aber keine Erzählung des Alkinoos mitteilen, sondern von einem gestandenen Mann, nämlich ER, dem Sohn des Armenios, der Abstammung nach ein Pamphylier; dieser war einst im Krieg gefallen, und als die Toten  nach zehn Tagen schon verwest aufgenommen wurden, wurde er unversehrt aufgenommen und nach Hause gebracht, um bestattet zu werden. Als er aber am zwölften Tag auf dem Scheiterhaufen lag, lebte er wieder auf und berichtete sodann, was er dort gesehen hatte. Er sagte aber, seine Seele sei, nachdem  sie ihn verlassen hatte, mit vielen andern dahingezogen  und sie wären an einen wunderbaren Ort gekommen, wo in der Erde zwei aneinandergrenzende Spalten gewesen und am Himmel gleichfalls zwei andere ihnen gegenüber.

Zwischen diesen hätten Richter gesessen, die nach ihrem Urteil den Gerechten befohlen hätten, nach rechts oben durch den Himmel wegzugehen, nachdem sie ihnen vorn Zeichen für das, wofür sie gerichtet worden waren, umgehängt hatten, den Ungerechten aber nach links unten; und auch diese hätten hinten Zeichen für all ihre Taten gehabt.

Als nun auch er hingekommen war, hätten sie ihm gesagt, er müsse den Menschen ein Verkünder des Dortigen sein, und hätten ihm geboten, alles an diesem Orte zu hören und zu schauen. Er habe nun dort gesehen, wie durch je einen Spalt im Himmel und in der Erde die Seelen nach ihrer Aburteilung weggegangen seien, durch die andern beiden aber seien aus der Erde Seelen voller Schmutz und Staub aufgestiegen, aus dem anderen  hingegen seien andere rein aus dem Himmel herabgestiegen. Die jeweils ankommenden schienen, wie von einer langen Reise, gern auf die Wiese zu kommen, sich wie zu einer Festversammlung zu lagern, sich einander zu begrüßen, soweit sie sich kannten, und zu befragen: die aus der Erde kamen, die andern nach dem dort, und die aus dem Himmel nach dem bei jenen. Und so hätten sie einander erzählt, die einen jammernd und weinend, indem sie  daran dachten, wie viel Schlimmes sie erlitten und gesehen hatten auf ihrer unterirdischen Reise; die Reise aber dauere tausend Jahre. Die aus dem Himmel hingegen hätten von ihrem Glück erzählt und einem unvorstellbar schönen Anblick.

Das meiste nun, Glaukon, zu erzählen kostete viel Zeit; die Hauptsache aber sei, sagte er, dass jeder für alles Unrecht, das er jemals – gleich wie vielen – angetan, einzeln gebüßt hat, zehnfach für jedes, nämlich immer wieder nach hundert Jahren, denn so lange sei das menschliche Leben, damit sie so zehnfach für das Unrecht büßten. So mussten einige, wenn sie vielfältigen Todes schuldig waren, weil sie Städte oder Heere verraten und in die Knechtschaft gestürzt oder sonst großes Elend mitverschuldet hatten, für jedes davon zehnfache Pein erdulden; hatten sie sich aber wiederum wohltätig gezeigt und gerecht und heilig, so empfingen sie auch dafür nach demselben Maßstabe den gerechten Lohn. Über die aber, die nach ihrer Geburt nur kurz leben, sagte er anderes, das hier nicht zu erwähnen lohnt.

 Für Frevel aber und Frömmigkeit gegen Götter und Eltern und für eigenhändigen Mord gebe es noch größeren Lohn. Denn er sei dazugekommen, als einer einen anderen fragte, wo denn Ardiaios der Große sei. Dieser Ardiaios war nämlich in einer Pamphylischen Stadt vor damals schon tausend Jahren Tyrann geworden, nachdem er seinen betagten Vater und älteren Bruder getötet und, wie man sich erzählte, viel anderen Frevel verübt hatte. Er habe auf die Frage gesagt: »Er ist nicht da und wird wohl auch nicht herkommen.«

Morgen Teil 2

 

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