Die Heldin

Noch ein paar Zeilen zu dem gestern erwähnten Film Heldin von Petra Volpe. Es war an der Zeit, den unbekannten Heldinnen und Helden unseres Systems ein Denkmal zu setzen – oder wenigstens zu zeigen, dass es sie gibt und dass sie sie der Stress nicht selten in den Burnout stößt. Diesen Job kann man nur ein paar Jahre machen; er ist Nächstenliebe und wird viel zu schlecht bezahlt.

So ein Bett im Kantonsspital kostet pro Nacht sicher ein paar tausend Franken; so viel jedenfalls, wie eine Pflegefachkraft im Monat nach Hause trägt. In den Pflegeheimen ist es etwas besser. Die Bewohnerin/der Bewohner zahlt rund 4000 im Monat; die Fachkraft sollte schon 3000 im Monat bekommen. Sie trägt die Verantwortung, muss die Tabletten vorbereiten, die Tätigkeiten überwachen und bei Notfällen den Überblick bewahren. Manchmal muss Erste Hilfe geleistet werden, weil jemand gestürzt ist, manchmal muss ein Bewohner rasch ins Krankenhaus; oder ein Tod muss festgestellt werden, und dann sind viele Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Das Team des Beirut-Hospitals, aufgenommen zwischen 1898 und 1946

Alle Fachkräfte kennen das etwas mulmige Gefühl, wenn die Schicht (und die Schlacht) beginnt. Bei der Übergabe erfährt man, worauf zu achten ist, und dann geht es los … Eine Kollegin sagte mir: »Du gehst da rein wie in eine andere Welt, und dann geht es ab, und acht Stunden später kommst du erschöpft wieder raus.« Selbst ich wurde von dem Film gepackt, man kennt das, auch wenn man nur ein harmloser Alltagsbegleiter war. Kaum bist du im Heim, rattert dein Gehirn: Der ist zu besuchen, nach der solltest du schauen, ein paar brauchen ein Getränk; eine unruhige Bewohnerin darf nicht unbeaufsichtigt herumlaufen, und gibt es jemanden, der gerne abhaut? Wo ist sie gleich wieder? Panik. Jemand fehlt. Wo ist sie?

Zu wenig Personal. Zwei Schwestern für 25 Patienten. Jeder ist ein Mensch und hätte gern ein wenig Zuwendung. Aber es ist zuwenig Zeit; während man bei jemandem sitzt, denkt man schon, du müsstest woanders sein. Jemand wollte etwas, man wird abgelenkt und vergisst es, es schießt einem wieder in den Kopf, und jemand der Angehörigen hat eine Bitte, ja, man sagt »Mach ich gleich«, doch dann kommt etwas anderes dazwischen, jemand hat geläutet und wartet dann 20 Minuten …

Wir folgen der Fachkraft (Leonie Benesch) durch ihren Dienst, der Film ist doku-ähnlich und funktioniert, man erlebt schlecht gelaunte Patienten, aber jeder ist zu verstehen, hat jeder nicht Anrecht auf ein wenig Zuwendung? »Tut mir leid, wir sind heute nur zu zweit.« Man folgt dem Film und versteht ihn (und Floria), er trifft die Stimmung und die Probleme. Eine echte Doku dürfte nicht so nahe rangehen, das wäre zu intim, die Patienten würden das sicher nicht mitmachen. So hat Petra Volpe ein Drehbuch geschrieben, das verschiedene Schicksale abdeckt, und ergreifend ist die Szene, wo eine demente Frau in Panik gerät und die Schwester anfängt, Der Mond ist aufgegangen anzustimmen, und sie singen …  Oder der arrogante Privatpatient, der tobt, aber in Wirklichkeit Angst vor der Diagnose und dem Sterben hat.

So eine Schwester wird im Krankenhaus den Patienten zur Therapeutin, Pastorin, zum Mitmensch, denn die in den Betten haben Schmerzen und fühlen sich allein. Vielleicht ist der Titel doch nicht so schlecht.

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Die gestern erwähnte Rose stammte sicher von Frau Krüger, die mir ja ein Zeichen hatte geben wollen. Am Tag vor dem Geschenk war ich bei ihrer Freundin gewesen, mir der sie 40 Jahre zusammengelebt hatte (der Ort, Ibach, wird am 31. Mai vorgestellt), und ich durfte mir Bücher mitnehmen. Und oben auf der Todesanzeige, die ja schon bekannt war, stand ein Zitat:

»Hast du Angst vor dem Tod?« fragte der kleine Prinz die Rose. »Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt, soviel ich konnte. Und Liebe tausendfach verschenkt. So will ich warten auf das neue Leben und ohne Angst und Verzagen verblühen«, sagte die Rose. 

Das ist aus Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry. Und so, ganz symbolisch, bot sie sich als Rose dar, um mir ein Zeichen zu geben, dass sie wieder aufgeblüht ist.

 

Die Bilder vom Beirut Hospital sind von der Library of Congress, Washington D. C. Einen Dank!  

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