Pistis Sophia

Die Pistis Sophia ist ein wichtiger Text der Gnostiker, die um die Zeitenwende im Zweistromland lebten, also zwischen Euphrat und Tigris. Ich habe sie immer bewundert, denn sie kannten nur heilige Texte, keine weltlichen. Sie achteten die Frauen und hatten ihren eigenen Blick auf Jesus; die christlichen Kirchenväter verabscheuten sie, denn die Gnostiker waren Konkurrenten

Es ist rätselhafte, »dunkle« Lektüre, die nicht auf einfache Gläubige Rücksicht nimmt. In der Pistis Sophia (eigentlich ein Sammelwerk) ist die Sophia (Weisheit) die Seele, die aus dem Himmel hinab muss, um einen Körper anzunehmen. Sie fühlt sich fortan wie im Exil. Beim Rückweg begeht sie einen Fehler und wird von düsteren Mächten gefangen und klagt ohne Ende. Das hören wir dann in Teil 2 und 3. Das Werk wird auf das zweite oder dritte Jahrhundert nach Christi Geburt datiert.

Doch zunächst der Anfang. Es geht nur darum, zu sehen, wie orientalische Denker über Jesus sprachen. Es ist ganz schön verwirrend. Im  dritten und vierten Absatz lesen wir nur, was Jesus seinen Jüngern nicht verriet, was indessen in Andeutungen uns verraten wird.

Als Jesus von den Toten auferstanden war, verbrachte Er elf Jahre im Gespräch mit seinen Jüngern und belehrte sie nur bis zu den Bereichen des Ersten Gebotes und des Ersten Mysteriums hinter dem Schleier, also über den Inhalt des Ersten Gebotes. Das ist das vierundzwanzigste Mysterium von innen nach außen – jenes, das sich im zweiten Raum des Ersten Mysteriums befindet, welches allen Mysterien voransteht: der Vater in Gestalt der Taube.

Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: »Ich bin hervorgekommen aus dem Ersten Mysterium, welches das letzte, nämlich das vierundzwanzigste Mysterium ist.« Die Jünger hatten weder gewusst noch verstanden, dass innerhalb dieses Mysteriums noch etwas anderes bestehe; denn sie dachten von diesem Mysterium, dass es das Haupt des Alls und das Haupt alles Bestehenden sei. Sie dachten, dass es die Vollendung aller Vollendungen sei, weil Jesus über dieses Mysterium zu ihnen gesagt hatte, dass es das Erste Gebot umschließt sowie die fünf Urideen und das große Licht und die fünf Helfer und die ganze Schatzkammer des Lichtes.

Außerdem hatte Jesus seine Jünger nicht unterrichtet über den gesamten Umfang aller Bereiche des großen Unsichtbaren und der drei dreimal gewaltigen Kräfte, auch nicht über die vierundzwanzig Unsichtbaren und alle ihre Gebiete und Äonen und Ordnungen, wie sie sich ausgebreitet haben – nämlich die Emanationen des großen Unsichtbaren –, und auch nicht über ihre Ungezeugten, Selbstgezeugten und Gezeugten und ihre leuchtenden Sterne und ihre Ungepaarten und Archonten und Gewalten und Herrscher und Erzengel und ihre Dekane und ihre Diener und alle Wohnungen ihrer Sphäre und all ihre Ordnungen.

Jesus hatte seine Jünger nicht über die ganze Entfaltung der Emanationen der Schatzkammer des Lichtes unterrichtet, auch nicht über ihre Ordnungen und wie sie entstanden sind; auch hatte Er ihnen nichts gesagt über deren Erlöser, wie sie gemäß der Ordnung eines jeden beschaffen sind. Auch hatte Er ihnen nicht gesagt, welche Wächter an jeder Pforte der Schatzkammer des Lichtes stehen. Auch hatte Er ihnen nichts gesagt über den Ort des Zwillingserlösers, der das Kindeskind ist. Auch hatte Er nichts gesagt über das Gebiet der drei Amen und in welche Bereiche sich ihre Macht erstreckt, noch hatte Er ihnen angedeutet, in welche Bereiche die fünf Bäume gepflanzt sind, noch etwas hinsichtlich der sieben anderen Amen, nämlich der sieben Stimmen, wo ihr Gebiet ist und wie sie sich ausbreiten. Jesus hatte seinen Jüngern nicht gesagt, von welcher Art die fünf Helfer sind und wo sie sich befinden.

Auch hatte Er ihnen nicht gesagt, auf welche Weise sich das große Licht ausgebreitet hat oder in welche Bereiche es gelangte. Ebensowenig hatte Er ihnen etwas erzählt über die fünf Ideen und über das Erste Gebot und in welche Bereiche sie gelangten. Sondern Er hatte nur allgemein mit ihnen gesprochen, indem Er sie über deren Existenz belehrte; aber über ihren Umfang und die Ordnung ihrer Gebiete und wie sie beschaffen sind hatte Er nicht gesprochen. Darum haben sie auch nicht gewusst, dass noch andere Bereiche innerhalb dieses Mysteriums bestehen. Er hatte zu seinen Jüngern nicht gesagt: »Ich bin aus diesen und jenen Gebieten hinausgegangen, bis ich in jenes Mysterium einging und wieder aus ihm hervorging.«

Sondern Er hatte sie nur gelehrt: »Ich bin aus diesem Mysterium hervorgekommen.« Darum dachten sie von jenem Mysterium, dass es die Vollendung aller Vollendungen, das Haupt des Alls und das totale Pleroma sei. Denn Jesus hatte zu seinen Jüngern gesagt: »Dieses Mysterium umgibt alles, wovon ich zu euch gesprochen habe vom Tag unserer Begegnung bis zum heutigen Tag.« Darum dachten die Jünger, dass
innerhalb dieses Mysteriums nichts anderes bestehe.

Morgen Teil 2.

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