Blues People (3)

Jetzt kommt wieder die Musik zum Zug. In dem Beitrag über die Weißwäscher ging es ja darum, sichtbar zu sein. Die Schwarzen spielen im Showbusinesss ihre Rolle … doch hatte man es damit geschafft? Die Rockmusik war weiß, erst die Rapper brachten wieder das Dunkle mit und mussten das Klischee erfüllen, das den Rap groß machte: den schwarzen oberpotenten Supermacho zu mimen.

1924 wurde Bessie Smith bejubelt, und Louis Armstrong war unterwegs zur Fletcher Henderson Band, die er zur ersten Jazz Bigband umwandeln sollte. 1930 kam das Radio auf und spielte Jazz meist von weißen Kapellen, und die Schwarzen mochten sodurch den Jazz für eine weiße Erfindung gehalten haben. Nun weiter bei Amiri, der etwas umständlich und soziologisch angehaucht schreibt, was vielleicht meine Mühe mit dem Buch erklärt.

Wer die Negermusik als Ergebnis bestimmter Haltungen, bestimmter Weltanschauungen (und danach erst als Ergebnis bestimmter Musikkonzeptionen) sehen kann, hat die Hauptthese dieses Buches verstanden. Die Musik des Negers änderte sich, indem er sich änderte. (168)

Jazz wurde in den 1930-er Jahren populärer denn je und auch von der schwarzen Mittelschicht anzeptiert. Dann kam der Swing. Er drang in den Mainstream ein, weshalb er für Schwarze nicht mehr interessant war. Obwohl sie diese Musik besser beherrschten als andere, wurden sie nie so gut bezahlt wie Weiße. Der Big-Band-Swing hatte nichts mehr mit dem Blues und dem schwarzen Amerika zu tun, aber gerade da kam er her.

Der Jazz spaltete sich auch auf. Um 1948 machte John Coltrane den Bebop populär, später kam der Cool Jazz, den Miles Davis verkörperte, doch die Presse hielt Chet Baker für den typischen Cool-Jazz-Mann. (Kleine Bemerkung: Chet Baker habe ich noch 1988 in der Altonaer Fabrik live gesehen, Milkes Davis sogar zwei Mal, einmal auf dem Deck eines Kaufhauses. Baker starb 1989, Davis 1991.) Schließlich, was Amiri 1963 noch mitbekam, der Rhythm ’n Blues.

Rhythm and Blues gehörte nicht nur der Strömung des Stadt-Blues an und war eine Weiterentwicklung der Stadt-Traditionen, sondern sagte auch etwas aus über das Amerika, aus dem diese Musik kam und über die Neger, die sie sangen oder ihr zuhörten.  … Zum Rhythm and Blues gehörten Ekstase und gewissermaßen überregionale Vulgarität (im Sinne von Volkstümlichkeit), die den älteren Blues-Formen unbekannt waren. Plötzlich war ein großer Teil der humanistischen europäisch-anerikanischen Fassade wie weggewaschen. Rhythm-and-Blues-Sänger mussten richtig schreien, um beim Lärmen und Tosen der verschiedenen elektrisch verstärkten Instrumente und der harten Rhythmusgruppen überhaupt noch gehört zu werden. … Blues ist schon immer Vokalmusik gewesen. (185)

Der Bluessänger Mississippi John Hurt, aufgenommen 1965 von Bernard Gotfryd (Dank an die Library of Congress!)

»Der Blues ist da, wenn der Neger traurig ist, wenn er weit weg von zu Hause, seiner Mutter oder seiner Geliebten ist. Dann denkt er an ein Motiv oder seinen Lieblingsrhythmus und nimmt seine Posaune oder seine Geige, sein Banjo, seine Klarinette oder seine Trommel oder er singt oder tanzt einfach. Und mit dem gewählten Motiv lotet er die Tiefen seiner Imagination aus. Das vertreibt seine Traurigkeit, das ist der Blues.«
(Ernest Ansermet, 1918)

Amiri Baraka skizziert die Gesellschaft von 1963, und, o Wunder!, das trifft auf die Gesellschaft von 2025 immer noch (und wieder) zu:

Kann man das politische Klima des heutigen Amerika, vielleicht ein wenig oberflächlich, als »antikommunistisch« bezeichnen, so kann man, gleichermaßen vage, sein kulturelles Klima »antikünstlerisch« nennen. Die völlige Beherrschung der amerikanischen Gesellschaft durch den von Brooke Adams so genannten Geschäftsgeist … hat den Hass des »Durchschnittsamerikaners« auf die Künstler genährt. 

 

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