Luís de Camões
In dem Buch Ein Lesebuch von Günter Eich (1907-1972), dem deutschen Lyriker, las ich herum. Stieß auf das Hörspiel Die Brandung vor Setubal und merkte verblüfft und betrübt, dass ich noch nie von Luís de Camões gehört hatte, dem portugiesischen Nationaldichter, der dort zur Sprache kommt. Wie wenig man doch weiß! Man weiß um Cervantes und Calderon de la Barca und Lope de Vega, aber nichts von Camões. Eine Schande!
Miguel de Cervantes, der Autor des Don Quichotte, lebte von 1547 bis 1616 und war ein Zeitgenosse der Portugiesen Luís Vaz de Camões (rechts zu sehen), der 1524 geboren wurde. Beide lebten abenteuerlich. Cervantes war im Krieg und 5 Jahre Sklave, Camões verlor im Kampf ein Auge, reiste nach Indien und saß wegen Schulden auch im Gefängnis.
In dem Hörspiel Die Brandung vor Setubal unterhalten sich Dona Catarina, die vor 30 Jahren vom König verbannt wurde, und Rosita, ihre Dienerin. Rosita ist keck und ehrlich (darum liebt Catarina sie), und wir denken an die humorvollen und frechen weiblichen Bediensteten in den Stücken Molières. Beide reisen nach Lissabon, im Juni 1590, und halten in einem Wirtshaus. Catarina fragt den Wirt:
Ist Camões gestorben?
Wirt: An der Pest, in Lissabon. Am 10. Juni 1580. Ich habe ihn früher selbst gekannt, war mit ihm in Indien, kenne seine Sonette auswendig –
Der Dichter wurde 55 Jahre alt. Und der 10. Juni, der heutige Tag, ist darum Nationalfeiertag in Portugal. Catarina kannte anscheinend Camões, er habe sie in Gedichten Natercia genannt. Sie lässt Rosita ein Sonett rezitieren. Sie macht es gut.
Die Zeit, die wir getrennt sind: sieben Tage.
Wie sieben Wellen rinnen sie im Fluss,
ein Nichts in seiner Wasser Überfluss,
wie ichs zum Trost mir unaufhörlich sage.
Wie aber kommts, dass ich sie nicht ertrage,
die kurze Spanne, die ich fern sein muss,
dass ein versäumter Blick und ein versäumter Kuss
die schlimmsten Gründe sind für meine Klage!
Kein Maß mehr gilt, nur an dir selber messen,
Natercia, sich jetzt Ewigkeit und Zeit
und Blick und Kuss und Bitternis und Leid.
Uhr und Kalender hab ich lang vergessen.
Vor deinen Augen endet jede Stunde,
die Ewigkeit beginnt an deinem Munde.
Und Dona Catarina ruft aus: »Die Ewigkeit, ja. Aber siebenundzwanzig Jahre!« In Lissabon herrscht wieder die Pest. Der König stirbt. Dona Catarina glaubt nicht, dass ihr Dichter tot ist. am Ende reisen sie wieder zurück, und Catarina sitzt auf einer Eselin, die Natercia heißt.
Fernando Pessoa (1888-1935) kennt man ein wenig, dem Antonio Tabucchi (1943-2012), der Liebhaber Portugals, ein Denkmal gesetzt hat. Saramago bewundere ich auch. Nun wissen wir also auch um Camões. Das Institute for Systems and Robotics in Lissabon bietet uns 47 Gedichte des Meisters, natürlich in der Originalsprache. (Ein Roboter-Institut kümmert sich um Gedichte!?) Vielleicht gibt es jemanden, der sie beherrscht oder zu genießen versteht. Und: Günter Eich lesen, vergessen wir ihn nicht!
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