Das Baltikum
Die baltischen Staaten sind, von Nord nach Süd gesehen, Estland, Lettland und Litauen sowie das russisch besetzte Gebiet von Kaliningrad, dem früheren Königsberg. Was an ihre Ufer spült, ist die Ostsee, doch Englischsprachige nennen sie The Baltic Sea. Es gibt drei Meerbusen: den Finnischen, den Bottnischen (nördlich) und den Rigaer. Riga liegt mittendrin und ist die Hauptstadt Lettlands. Am 1. April schrieb Evelyn Juers in der Sydney Review of Books unter dem Titel Baltic Blues über das Baltikum. Die Autorin wurde 1950 in der Nähe von Stormarn in Schleswig-Holstein geboren und landete irgendwann in Australien, ohne ihre Kindheit vergessen zu können. Sie schrieb 3 Romane, darunter einen über das Leben von Heinrich Mann und seiner Frau (House of Exile) und einen über das Leben der Ausnahmetänzerin Philippa Cullen (1950-1975).
Sie schrieb ihren Aufsatz, nachdem sie das Buch Baltic Souls von Jan Brokken gelesen hatte. Der Niederländer Brokken wurde 1947 geboren und unternahm viele Wanderungen durchs Baltikum. Er legte mit seinem Buch 15 Geschichten mit Einzelschicksalen vor.
Die gestern behandelte Menschenkette wird von Frau Juers auch erwähnt. Doch gehen wir weiter zurück: Schon 9000 vor Christus soll das Baltikum besiedelt gewesen sein. Die Ostsee (oder Baltic Sea) war nur wenig älter, sie wird auf 14.000 bis 12.000 vor Christus geschätzt. Die dort lebenden Völker verehrten die Natur und schilderten Heringsschwärme, Feuerbälle und den Stand des Meeres. Im 12. und 13. Jahrhundert kamen die Kreuzfahrer vorbei, und die Hanse setzte sich wenig später fest. Riga, das manipogo einmal vorgestellt hat, wirkt immer noch etwas hansestädtisch. Lettland wurde 1918 unabhängig, doch 20 Jahre später erlaubte Hitler, dass die 3 Staaten wieder zu Russland kämen, das 1940 gleich Lettland überfiel und 100.000 Bürger deportierte. 1945 wurde Ostpreußen (südlich vom Baltikum) polnisch. 1990 dann fiel die Berliner Mauer, und das Baltikum hatte seine Freiheit wieder.
Doch man denkt, dass Putin die Staaten gern wieder seinem Reich zuschlagen möchte. Sein Lebensziel scheint die Wiederherstellung der alten Sowjetunion zu sein, doch das wird ihm nicht gelingen. Das ist vorbei. Putin soll noch eine Villa in Jümala in Lettland besitzen, an der baltischen Riviera. Seine Schattenflotte ist eine Bedrohung. Auch andere Schiffe mit Piraten tun sich um (2000 Schiffe verkehren täglich auf der Ostseee) und zerschneiden unterseeische Kabel, um die Kommunikation im Westen zu stören.
Evelyn Juers erwähnt die Zeichnerin Käthe Kollwitz (1867-1945), die ihre Sommerferien als Kind in Rauschen an der Küste verbrachte, wo 1929 auch Thomas Mann sich aufhielt, der in Nidden sich ein Haus baute, das die Familie aber 1933 im Stich ließ, als sie ins Exil ging. Die Philosophin Hannah Arendt (1909-1975) verlebte gleichfalls an der baltischen Küste ihre Kindheit. Nicht vergessen werden darf Immanuel Kant, der rastlos durch Königsberg wanderte und beim Gehen nachdachte.
Es ist eine wunderbare Landschaft, doch richtig froh wird man nicht darüber. Putins Großmacht-Träume werfen ihren Schatten auf das Baltikum. Die drei von Evelyn Juers erwähnten Bücher scheinen nicht auf Deutsch zu existieren, nur in englischer Sprache. Es sind
Jan Brokken, Baltic Souls
Paul Scraton, Ghosts on the Shore
Max Egremont, Forgotten Land.
Für die deutsche Verlagsszene ist das Baltikum anscheinend nicht interessant.
(Das untere Bild stammt von Underwood & Underwood, 1897; das obere hat keinen Urheber und ist aus dem Jahr 1903. Dank an die Library of Congress, Wash. D. C. Die hat Präsident Trump noch nicht versenkt. Er wäre sicher der Meinung, subversive Lektüre wie manipogo müsse bekämpft werden.)
