Das Göttliche in uns
Nach den Meistern des Fernen Ostens will ich nun einen Artikel zur Klärung nachschieben. Wurde alles schon einmal gesagt, und dann treten Gurus auf, die wiederum andere Begriffe verwenden, doch im Grunde ist es einfach: Da ist unsere Persönlichkeit, unsere Seele, wenn man so will; und da ist etwas Unsterbliches, etwas Unnennbares in uns, das uns emportragen will, wenn wir es zulassen.
A. H. Altmaas schreibt in seinem Buch Das Elixier der Erleuchtung (arbor, Freiburg, S. 59):
Unsere wahre Natur, unsere Essenz, das, was im Menschen wirklich und unkonditioniert ist, existiert nicht in irgendeiner geheimnisvollen Sphäre und wartet nur darauf, dass wir das feindliche Ich angreifen und töten, damit sie dann strahlend erscheinen kann. Unser Wesen, unsere Essenz, das Göttliche in uns, ist mit unserer Persönlichkeit auf eine sehr komplexe und intime Weise verbunden.
Omraam Mikhael Aivanhov zieht in Der Schlüssel zur Lösung der Lebensprobleme ein Bild heran (S. 145):
Die Personalität ist der irdische Teil, die Materie, welche als Gefäß oder Behälter oder Leiter dient. Die Individualität ist das Seelisch-Geistige, der Lebensgeist, der Ursprung aller Kundgebung. Beide sind unentbehrlich.
Er vergleicht die Personalität mit den Wurzeln, dem Stamm und den Ästen eines Baumes. Sie bleiben über die Jahreszeiten hinweg bestehen, während Blüten, Blätter und Früchte stetig neu wachsen und sich verändern: Das wäre die Individualität mit ihren Seelenregungen, Eingebungen und Erleuchtungen.
Sogyal Rinpoche sagt uns in Das tibetische Buch vom Leben und Sterben, dass es in Tibet zwei Arten von Geist gibt (S.66-68, Otto Wilhelm Barth Verlag, 1994).
Das erste ist der gewöhnliche Geist, im Tibetischen Sem genannt…. Sem ist … der Geist, der denkt, plant, begehrt, manipuliert, der im Zorn auflodert, der Wogen von negativen Gedanken und Emotionen erschafft, in ihnen schwelgt und fortwährend seine eigene Existenz beweisen, sichern und bewerten muss. … Es gibt aber auch die wahre Natur des Geistes, seine innere Essenz, die von Wandel und Tod ganz unberührt bleibt. Zur Zeit liegt sie in unserem eigenen, gewöhnlichen Geist – in Sem – verborgen, ist verhüllt und verdeckt von der mentalen Geschäftigkeit unserer Gedanken und Emotionen. … Auf Tibetisch heißt diese Natur des Geistes Rigpa: ursprüngliches, reines Gewahrsein, das gleichzeitig intelligent, erkennend, strahlend und stets wach ist. Man könnte es das Wissen des Wissens selbst nennen.
Rigpa, das ist die Natur von allem. Man nennt sie, meint der Rinpoche, Gott oder Shiva, Vishnu oder Buddha-Natur. Er ergänzt:
Im Herzen aller Religionen liegt die Gewissheit, dass es eine grundlegende Wahrheit gibt, und dass dieses Leben eine geheiligte Möglichkeit ist, sich zu entwickeln und diese Wahrheit zu erkennen und zu verwirklichen.
Rudolf Steiner schrieb es ganz einfach:
Denn jeder Mensch trägt neben seinem – wir wollen ihn so nennen – Alltagsmenschen in seinem Innern noch einen höheren Menschen. Dieser höhere Mensch bleibt so lange verborgen, bis er geweckt wird. Und jeder kann diesen höheren Menschen nur selbst in sich erwecken.
Es gibt das Göttliche in uns, ob wir es nun Essenz, Individualität oder Rigpa nennen – oder heiliges Leben, Gott, Jesus, Manitu. Ob wir von Seele und dem Geist reden, der oben dahinschwebt oder von zwei Seelen, eine als Schatten, die andere als Wind oder göttlicher Hauch … Es spricht in uns als Gewissen, es spricht uns an, es will gehört werden.
Verwandte Artikel: