Binnies Welt (2)
Wenn man so über das Buch nachdenkt, merkt man, dass vier idealtypische Beziehungen geschildert werden: Alltag mit Ehemann; der etwas achtlose langweilige Liebhaber; der leidenschaftlicher Liebhaber mit Besitzgier; und die wahre Liebe, die unerfüllt bleibt. Und seltsam und auffallend sind die religiösen Untertöne. Die Autorin kommt rasch zur Sache:
Ich mag es, wenn ich nackt bin. Wenn ich Kleider anziehe, denke ich dabei immer ans Ausziehen. Ich trage Kleider, die nur von einem einzigen Verschluss gehalten werden. Ein leichter Ruck, einmal geistesabwesend gezogen, und schon öffnet sich mein Kleid und gleitet leicht und luftig von meinen Schultern – wie Herbstlaub im Wind. An mich kommt man leicht ran.
Den sizilianischen Killer, der eigentlich ein Professor ist, lernte sie beim Joggen kennen. Sie erklärt:
In seiner Nähe ist es unmöglich, allein zu sein. Er registriert alles, was ich tue, und erinnert sich an alles, was ich sage. Das ist so die Art seiner Leute.
Diese Süditaliener! Er denkt an sie und gesteht, den ganzen Tag sei seine »Kirche« wahnsinnig heiß. Er schiebt noch nach:
»Du weißt schon. Mein Tempel.«
Ich fühle mich wie die Madonna. Gleich wird er mich auf das Bord heben, mich direkt neben das Heiligenbild stellen und zu meinen Füßen ein Licht anzünden. Und ich würde dort stehenbleiben, völlig regungslos bis auf die Träne, die meine Wange hinunterrinnt, und er würde glauben, ihm sei ein Wunder widerfahren.
Bald sagt er, worum es in Wirklichkeit geht.
Du bist mein. Wie ist das? Das ist es, was du bist. Mein. Und du wohnst in meinem Herzen.
Darauf wird die geliebte Frau reduziert. Auf mein. Bald kommt die Eifersucht.
»Wo warst du? Tagelang habe ich dich nicht gesehen. Fühlst du dich wegen irgendwas schuldig? Hast du etwas zu beichten?«
»Nein«, sage ich. »Ich fühle mich nicht schuldig. Ich fühle mich wegen gar nichts schuldig. Wegen überhaupt gar nichts.«
Hier bin ich, eine linkshändige Frau, Jüdin, verheiratet, glaube an Gott und begehe Sünden. Todsünden und lässliche Sünden. Ich habe sieben der Zehn Gebote gebrochen. Doch Gott hat nicht seinen langen Arm vom Himmel herniedergestreckt und mich auf den Mund geschlagen. Ich winde mich nicht vor inneren Qualen, mein Gewissen martert mich nicht. Mein Schlaf ist der der Unschuldigen.
Dann erscheint der jungen Frau die Mutter des Killers, die vor zehn Jahren gestorben ist und nennt sie puttana. Nichts Schlimmeres könne man über eine Frau sagen, meint er: Hure. Später überlegt er:
»Ich liebe eine Hure.« Er schüttelt den Kopf. »Und trotzdem liebe ich dich«, sagt er. »Trotz allem.«
»O nein, mein Schatz«, kläre ich ihn auf, »du liebst mich nicht trotzdem, sondern gerade deswegen. Du liebst mich, weil ich eine Hure bin.«
Ja, der Killer glaubt an die Liebe als Sühne oder Erlösung. Beim sexuellen Akt ruft er Jesus an. Er wünscht sich, sie möchten den Orgasmus gleichzeitig haben. Es soll die totale Verschmelzung sein; ein Fleisch und ein Blut. Die »Hure« reagiert ausweichend und denkt:
Was mein ist, ist mein und sollte ohne jede Verwirrung eindeutig mein bleiben.
Es gibt einen Eklat, weil sie Ossobuco nicht leiden kann. Er beschimpft sie. Sie vergisst es ihm nicht. Dennoch malt sie sich eine gemeinsame Zukunft in einer Wohnung aus. Und denkt das Ende schon mit.
Wir würden uns selbst genügen. … In unserer Wohnung in der Bronx wären wir sehr, sehr glücklich. Bis eines Tages, eines Tages, irgend etwas anders wäre. Er wäre davon verwirrt … Ich würde es nicht erklären können, aber was auch immer es ist, es würde wachsen und wachsen , hart und scharf werden und schließlich wie die Klinge eines Schnappmessers aufspringen.
Morgen Teil 3.