Der Orient; die Liebe

Vor 200 Jahren war der Orient in Deutschland in Mode. Wie das so ist, wurde der Nahe Osten zu einer Traumwelt mit schönen Haremsdamen, großmütigen Sultanen, Fakiren und Propheten. Goethe schrieb seinen West-östlichen Diwan (aus dem wir auch einmal zitieren könnten), und auch Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), die ich schätze, schrieb Gedichte über den Orient. Liebesgedichte vor allem.

Sie nannte ihre Gedichte hierzu Klänge aus dem Orient.

Doch erst ein Zitat über Moulana, den großen persischen Poeten Rumi (aus dem Vorwort zum Matnawi, Band 1):

Die Seele Moulanas suchte nach dem Tod von Salah ad-Din ständig nach einem Geliebten. Denn der Anlass des Liebenden zum Lieben ist der Geliebte. Der Flug in die unendliche Weite der Einheit und die Entfernung vom imaginären Ich bedarf der Liebe, die aus der Vereinigung des Liebenden und des Geliebten zustande kommt. Im Lichte dieser Liebe vergisst der Liebende sich selbst und wird ganz Er. Dieses Geheimnis ist Moulana offenbart worden, und er war nicht mehr bereit, einen Augenblick seines Lebens ohne diesen Rausch verstreichen zu lassen. 

Dieses Verschmelzungsmotiv mit dem Geliebten als Vorstufe zur Vereinigung mit Allah (swt), macht die Sufis aus, die Vertreter eines mystischen Islam, die stets Mühe hatten, von der Orthodoxie anerkannt zu werden.

Nun Annette. Sie schreibt in den ersten beiden Gedichten aus der Sicht des Mannes, merkwürdig das. Aber in ihrer Beziehung zu Levin Schücking war sie wohl die Aktive, während er sich zurückzog und … eine andere heiratete.

Gesegnet

Wer bist du doch, o Mädchen, 
Du mit dem schwarzen Schleier
Und mit den schwarzen Sklaven,
Der weißen Sklavin du?

Wie Sterne deine Augen
Durch deines Schleiers Nächte,
Dein Gang wie die Gazelle,
Wie Palme die Gestalt. 

Gesegnet sind die Wellen
Des Bades, die dich kühlen.
Gesegnet die Gewänder,
Umschließend deine Huld.

Und siebenfach gesegnet
Der Sklave, dem du winkest,
Der deinen Tritten lauschet
Der deine Stimme hört. 

Und tausendfach gesegnet
Die Sklavin, der du lächelst,
An ihre Schulter lehnend 
Dein unverschleiert Haupt.

Verliebt

Schilt mich nicht, du strenger Meister,
Dass im Diwan ich geträumet
Und bei des Muezzins Rufes 
Ach, nach Mittag stand gewendet.

Wisse, als ich kam vom Bade,
Als ich heimging aus den Gärten,
Schlüpfte Zillah mir vorüber,
Und den Schleier hob sie schalkhaft.

Verliebt

Mutter, löse die Spangen mir! 
Mich hat ein Fieber befallen.
Denn das Fenster ließest du auf,
Das immer sorglich verhängte;
Und im Garten ich Mädchen sah,
Die warfen Ringe im Kreise,
Flatternd selber, ein Blütenschnee,
Vom leichten Winde getragen
Immer flöten nun Stimmen mir,
Und immer Spiegel mir flirren; 
Blind geworden bin ich schon ganz,
Taub werd ich nächstens werden. 
Mutter, löse die Spangen mir!
Mich hat ein Fieber befallen. 

 

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.