Flugverkehr (178): Take-off und danach

Die evangelische Theologin und Philosophin Dorothee Sölle (1929-2003) war eine schillernde Gestalt. Sie engagierte sich für den Frieden, für Frauen, schätzte die Befreiungstheologie Lateinamerikas und liebte Natur und Musik. Die Welt sei von Gott nicht fertig geschaffen, wir müssten sein Werk tun. Zwei Gedichte von Frau Sölle aus dem Band Ich will nicht auf tausend Messern gehen. Es geht ums Fliegen. Und um Erotik.

Beim fliegen

Wir halten die sonne an
seit einer stunde liegt ein streif 
regenbogen am horizont aber begradigt
diese erfahrungen mit dem fliegen
die bleibende siebenfarbige gerade
und das bleibende lächeln der stewardessen
das versprechen an noah nicht mehr 
will ich ersäufen das land und die tiere
und was mit dem sanften lächeln der frauen
die sich an delta airlines verkaufen. 

Nicht mehr will ich sagte gott 
nie mehr will ich sag ich ihm 
vergessen deine farben
deiner bögen jetzt röter und
vor uns verlöschend 
und nicht vergessen die frauen 
die ihre hände verkaufen die füße 
das freundlichsein
eilen wir in das auberginendunkel vor uns 
man hat ihnen den ärger genommen
das schweigen der großmütter 
wenn die zum brunnen gingen langsam 
die würde ja oder nein zu sagen 
weiterzugehen oder stehenzubleiben
die tiefroten strahlen der sonne 
streifen das gesicht einer immer noch 
alterslos lächelnden jungen frau 
schmerzlos ahnungslos begradigt. 

 

Lob des take-off

Über den grauen zerbröckelnden schnee von vorgestern 
steigt die maschine und hat es eilig
unter die wolkendecke zu kommen
ganz langsam dann
dringen wir ein in die graue watte 
die immer heller wird bis 
meine augen schmerzen vor licht
endlich das glückliche blau über uns 
wir in ihm. 

Wär ich ein mann
ich wüsste nichts

Schön ist es einzudringen
wenn man weiß
wie es der wolke tut
schön ist es im flugzeug zu sein
und in der wolke
du zu sein und ich
in einer zeit.

Schön ist die penetration 
und das take-off.  

 

 

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