Über das Lynchen

Über das Lynchen sprach Ida B. Wells (1862-1931) auf der National Negro Conference, die 1909 stattfand. Abgedruckt ist die Rede in dem Band, in dem auch Sojourner Truth vertreten ist.

In einem Essay des Buches von Max Annas lesen wir über die Zeit der Jahrhundertwende (1900):

Hinzu kam die Pein und ständige Bedrohung des Lynchens. Historisch gesehen ist das System des »lynching« die schnelle Rache der Südstaatler am Verbot der Sklaverei. Die straflose öffentliche und gemeinschaftliche Vernichtung einer menschlichen Existenz war für die Weißen vieles zugleich: rassistischer Karneval, ein Fest zur Bestätigung der eigenen Überlegenheit und religiös kodierte Teufelsaustreibung mit deutlich sexualisiertem Hintergrund. Die vielen tausend afroamerikanischen Männer, die zwischen dem Ende des Bürgerkriegs und dem Ende des Jahrhunderts vom weißen Mob verbrannt wurden, waren meist sexueller Vergehen beschuldigt worden. In sehr vielen Fällen ging es dabei um nichts anderes als das vermeintlich oder unterstellt begehrliche Anschauen weißer Bürgerinnen. Dem  Massenmord an den Männern steht die ebenso systematische Vergewaltigung afroamerikanischer Frauen gegenüber. Das Ziel war klar: die Teilhabe an der gemeinsamen Freiheit mit allen Mitteln zu verhindern.

Aus dem erwähnten Band

Ida B. Wells erinnerte:

Drei Tatbestände geben Aufschluss. Erstens, das Lynchen ist eine Folge der Rassentrennung. Zweitens, Verbrechen (gegen weiße Frauen) sind nur ein Vorwand, kein Grund. Drittens, Lynchen ist ein nationales Verbrechen, das nach einer nationalen Lösung verlangt.

Der Beweis, dass Lynchen etwas mit der Hautfarbe zu tun hat, findet sich in den Statistiken der letzten 25 Jahre. Zur Zeit der Lynchgesetze entlang der Besiedlungsgrenze im Westen waren die meisten Lynchopfer Weiße. Als sich jedoch eine ordentliche Gerichtsbarkeit im Westen etablierte, nahmen die Lynchmorde rapide ab, und weiße Opfer waren immer seltener zu beklagen.

Als es mit dem Lynchsystem im Westen zu Ende ging, entstand im Süden ein neuer Mob. Diese Bewegung war rein politisch. Ihr Ziel war es, das schwarze Stimmrecht mittels Einschüchterung und Mord abzuschaffen. Tausende von Mördern, die sich zusammenschlossen und ihren Organisationen Namen gaben wie »Ku-Klux-Klan« oder »Midnight Raiders« schufen ein Regime des Schreckens, indem sie farbige Menschen zu Tausenden verprügelten, auf sie schossen und sie ermordeten. Schon nach ein paar Jahren hatten sie ihr Ziel erreicht: Das schwarze Wahlrecht war beseitigt. Dennoch hörte der Mob nicht auf zu morden.

Seit 1882, ein Jahr, in dem 52 Menschen gelyncht wurden, bis heute hat das Lynchen immer mit der Hautfarbe zu tun. Die Statistiken zeigen, dass in einem Vierteljahrhundert 3284 Männer, Frauen und Kinder umgebracht wurden; 28 Menschen brannten an Pfählen, darunter eine Frau und zwei Kinder. Das ist die fürchterliche Anklage gegen die amerikanische Gesellschaft, der schaurigste Beitrag der Nation zur Rassentrennung.

Wieso lässt die christliche Nation den Mord durch einen Mob zu? Was ist der Grund für dieses fürchterliche Abschlachten? Die Antwort bekmmen wir fast täglich. Immer wieder ist die schamlose Lüge zu vernehmen, dass »Neger gelyncht werden, um die Ehre der Frau zu schützen«. Das ist die stereotype Antwort der Lynchverbrecher und ihrer Fürsprecher. Alle wissen, dass das nicht der Wahrheit entspricht.

(…)

Die einzig wirksame Maßnahme ist das Gesetz. Gesetzesbrecher müssen verstehen, dass ein menschliches Leben heilig ist und dass jeder zunächst ein Bürger der Vereinigten Staaten und erst dann ein Bürger jenes Bundesstaats ist, in dem er lebt. 

 

Anm.: Heute sind es die Bundeshörden in Gestalt des ICE, die Jagd auf Menschen machen, freilich nur mit dem Ziel, sie »auszuschaffen«, wie der Schweizer sagt. Da helfen eher noch der Bundestaat oder die Kirchen.

 

 

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