Du bist das Licht
Zum Abschluss der Trilogie lesen wir den Anfang des Gedichts von Fariduddin (oder Feridaddin) Attar. Dieser persische Mystiker ist nicht allzu bekannt, die Vogelgespräche (oder auch Die Konferenz der Vögel) allerdings hat man schon 1653 teilweise übersetzt. Er lebte von 1145 bis 1221.
Erhabner Gott, du, Einer, ohnegleichen:
Dich nennen Herr die Herrn aus allen Reichen.
Du bist das Ende und auch das Beginnen,
Das Außen, o Erhabner, und das Innen.
So viel Jahrtausende rennt der Verstand,
Doch hat von dir er keinen Hauch erkannt. …
Für alles, was geschaffen, bist du Licht,
Du nur verleihst dem Auge seine Sicht.
O Wunder, dass du sichtbar und verhüllt!
Du bists, der – ohne Herz – den Herzgrund füllt.
Die Seelen stammen, Freund, von deinem Strahle,
Du bist der Kern, das andre ist nur Schale.
Nur Namen hat die Welt von dir, kein Zeichen;
Nicht kann dich schauender Verstand erreichen
Verborgen dem Verstand, sichtbar im Sein,
Zeigst du den Abglanz deines Wesens rein –
Durch dich erschien die Welt – in jedem Nu
Sprichst ganz Geheimes in der Seele du.
Wohl sucht Verstand dich vielfach zu umschreiben, –
Zuletzt muss er doch voller Schmerzen bleiben.
Wie schön! Zeigst du im »Sei!« dein Angesicht,
Und hüllst die sieben Sphären in dein Licht!
Wie schön! O Sprechender! Gibst Lipp und Mund –
Du bist so klar und doch verhüllt im Grund.
Wie schön! O Sehender! D schenkst das Sehen,
Dass wir im Schleierinnern dich erspähen.
Wie schön! Die Welt erhellt von deinem Schein,
Der Mensch geformt nach deinem Widerschein!
Wie schön, dass du gezeigt in Herz und Seele
Dem Sucher deine Schönheit ohne Fehle!
Du bist das Licht, das in den sieben Sphären
Um diesen Staubball kreist in stetem Währen.
Du bist das Licht, das strahlt im Sonnenglanze,
Wodurch der Teil ist ewig und das Ganze.
Du bist das Licht, das Mond und Stern bewohnt.
Verloren sind vor ihm so Stern wie Mond.
Du bist das Licht, dran niemals rührt die Glut,
Schmerz wie Arznei, die tief im Herzen ruht.
Du bist das Licht, aus Eifersucht entbrannt,
Das alle, die es lieben, setzt in Brand.
Du bist das Licht, das der Propheten Seele,
Und das erscheint im Heilgen ohne Fehle,
Du bist das Licht, den Wandrern helle Kerzen,
Und großer Glanz für alle Menschenherzen …
Übersetzt hat dies die Orientalistin Annemarie Schimmel (1922-2003).