Der erste arabische Kriminalroman

In den arabischen Ländern soll der erste echte Roman (was man Belletristik nennt) erst 1913 erschienen sein. Der erste literarische Kriminalroman entstammt der Feder von Nagib Machfus (1911-2006). Das war im Jahr 1961. Dieses Buch, das mir in die Hände fiel, heißt Der Dieb und die Hunde. Weil er der erste Krimi Arabiens war, müssen wir von ihm sprechen.

Das ist schon eigenartig. Allerdings: Die Gnostiker im heutigen Iran kannten damals, vor 2000 Jahren, auch keine weltliche Literatur. Doch Arabien war bis ins 11. Jahrhundert eigentlich fortschrittlich, nirgends gab es so viele Krankenhäuser wie in Bagdad, und große Philosophen veröffentlichten Werke. Dann aber bewegte sich nicht mehr viel. Die strenge Religiosität hemmte den Fortschritt. Doch vergessen wir nicht, dass dieser (mit all seinen Schattenseiten) bei uns erst 300 Jahre alt ist, als die Gesellschaft begann, das Joch der Kirche abzuschütteln. 1712 wurde eine Dampfmaschine patentiert, und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sie sich durch. Der Gesellschaftsroman stammt auch aus jener Zeit, Daniel Defoe, Henry Fielding und Laurence Sterne pflegten ihn. Der erste westliche Krimi kam von Edgar Allan Poe, es war eine Erzählung aus dem Jahr 1845.

Nagib Mahfus und Jussuf Idris aus Ägypten wurden für viele Autoren zu Lehrmeistern. Erzählen wir nun kurz die Handlung von Der Dieb und die Hunde.

Der Dieb ist Said Muhran, der nach 4 Jahren aus dem Gefängnis in Kairo entlassen wird. (Die Hunde sind diejenigen, die ihn jagen.) Der Autor kriecht  in seine Gedanken und zeigt uns: Said ist verletzt und wütend. Er fühlt sich verraten und will sich rächen. Seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter hat er nie richtig kennengelernt (sie weicht zurück und weint, als sie ihren Vater sieht), sein Freund Raouf Alwan hat ihn angeblich betrogen, und so geht Said zu seiner früheren Bande und besorgt sich einen Revolver. Schlafen kann er bei Scheich Ali al-Djunaidi, den er bewundert. Dann trifft er eine alte Bekannte: die Prostituierte Nur (das heißt Licht auf Arabisch). Sie lädt ihn ein und will mit ihm zusammensein. Said zögert. Ihre Wohnung liegt übrigens nah am Friedhof, der Tod ist also immer in der Nähe.

Friedhof in der Wüste

Der Scheich spricht dunkle, inhaltsschwere Worte, doch Said kann sie nicht deuten. Die Liebe Nurs lässt ihn zunächst kalt. Er denkt nur an seine Rache, er ist besessen davon. Ihm ist Unrecht geschehen! Die Zeitungen berichten über ihn, Said Muhran wird berühmt, ist aber ein Gehetzter. Seine Versuche, sich zu rächen, gehen schief: Er tötet Unschuldige. Gegen Ende regt sich auch in ihm Liebe zu Nur, sie könnte ihn durchaus verwandeln, doch es ist zu spät. Seine Besessenheit ist unheilbar. Das Netz der Polizei schließt sich um ihn; er ist verloren.

Scheinbar unkorrigierbar ist dieses Bedürfnis nach Genugtuung, nach Rache. Ein alttestamentarisches Gefühl. Dabei heißt es im Koran viele Male: Allah (swt) ist barmherzig. Er ist großmütig. Er vergibt dir deine Sünden. Warum können Menschen nicht barmherzig sein? Die Israelis haben nach dem irrsinnigen Hamas-Attentat, bei dem 1200 Menschen starben, 55.000 Menschen getötet. Und immer sterben Unschuldige.

Π Π

Wie auch damals, 2001, in New York. Dazu noch eine Geschichte, die ich auf manipogo noch nicht erzählt habe: Irgendwann 2006 oder 2007 schlenderte ich über den Friedhof im Osten von St. Gallen und fand den Grabstein eines Paars. Beide waren am 11. September gestorben; es stand nicht, wo. Ich erwähnte das in einem Erinnerungsartikel in meinem Blog der Kritischen Ausgabe + in Bonn und vermutete, sie seien vielleicht bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Und dann schrieb mir jemand aus St. Gallen, die beiden seien tatsächlich Opfer des Attentats am 11. September geworden. Das Erstaunliche daran war, dass meine Sätze jemanden erreichten, der Näheres wusste.

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