Arco mit dem Regenbogen

Einen Regenbogen als Schweif zieht Arco hinter sich her, als er ins Leere springt, um eine tolle Reise zu erleben. Der 12-jährige Junge fällt und fällt und landet hart: in seiner Vergangenheit, im Jahr 2075. So beginnt der charmante Comic-Film Arco von Ugo Bienvenu, und damit beginnt auf manipogo eine kleine Locarno-Trilogie, denn bei den dortigen Filmfestspielen (den 78.) waren wir vergangenes Wochenende.

Das war ein reizender Film. Im Jahr 2075 gleiten die Fahrzeuge oberhalb der Fahrbahn dahin, Roboter helfen im Haushalt, aber die Kinder müssen immer noch zur Schule gehen. Das kleine Mädchen bringt Arco zu Hause unter, doch er soll wieder richtig heimkommen. Es wird eine Trennung geben, die jedoch nicht zu verhindern ist. Ich mochte den Film sehr, man hörte sich rasch ins Französische rein, und dann hofft man, dass der junge Zeitreisende es zurück schafft.

Wir sprechen einfach über die drei Filme, die mir besonders gefallen haben. Über 200 werden präsentiert, 100 von ihnen waren zum ersten Mal in einem Wettbewerb am Start. 10 Tage dauert das Festival, und an 3 Tagen kann man (mit Kurzfilmen) an die 20 Werke sehen, aber dann ist man auch schön angefüllt. Am 16. August endet das Festival, und der Sieger bekommt den Goldenen Leoparden.

Angefangen hatten wir mit White Snail, das ich ausgewählt hatte. Dass ein junges blondes angehendes Model sich um einen Mann bemüht, der ganztags in der Pathologie arbeitet, musste mich anziehen. Giovanna fand den Film schrecklich langweilig, während ich natürlich die Dunkelheit und die morbid wirkende Atmosphäre mochte; und dann gefiel mir, wie sich Mascha und Mischa, beide Außenseiter in der Welt, einander annähern. Es kommt zu  vorsichtigen Zärtlichkeiten. Ich glaube, die Geschichte spielt in Weißrussland (Belarus), vermutlich in der 2-Millionen-Stadt Minsk.

Die Regisseure sind Elsa Kremser und Levin Peter, und Marya Imbro spielt Mascha, Mikhail Senkov Mischa. Sie stehen im Locarno-Programm unter Cast. Später zeigten sie sich im Interview, und unten sehen wir sie im Bild. Mikhail sieht immer etwas bärbeißig und nachdenklich aus, so ist er wohl.

Noch eine persönliche Anmerkung: Ich schreibe ja seit 50 Jahren, doch manchmal wacht man auf und stellt alles in Frage. Ich las Artikel über den Roman La Storia von Elsa Morante, den ich liebe, aber diese routinierten Feuilleton-Beiträge waren eben routiniert, nicht mehr. Ach, eigentlich kann man über Musik, Literatur und Malerei nicht schreiben, es klingt immer falsch. Die Handlung wird abgespult und dies und das bemerkt; doch eigentlich müsste man poetisch werden, wenn man den Film mochte. Man müsste einen anderen Wortschatz verwenden, eine andere Struktur …  Wo ich das genial verwirklicht fand, war im britischen »Melody Maker«, der über Konzerte und Bands so kryptisch (rätselhaft) schrieb, dass man verwirrt war. Dennoch kaufte ich mir das Blatt damals (um 1990) immer wieder, irgendwie fand ich da den »spirit« der Rockmusik getroffen. Im Jahr 2000 ging die (bereits 1926 gegründete) Zeitschrift im »New Musical Express« auf, der mehr dem mainstream zuneigte. Schade.

Am Sonntag noch ein Langfilm … Es war La rêve de Dieu von Mariam Kamissoko und Fousseyni Maïga aus Mali, von wo ja Abdelrahmane Sissako stammt. Ihn haben wir mal behandelt. Die Schauspieler kriegt man nicht richtig zugeordnet, und sie heißen fast alle mit Nachnamen Traore, Touré, Coulibali oder Dembele. Jedenfalls: Der Imam einer kleinen Gemeinde ist gestorben. Wer wird der Nachfolger sein? Der gestrenge Bürgermeister hat die Wahl. Da wird nun getrickst und geheuchelt und intrigiert.

Es ist ein Lehrstück mit typischen Protagonisten. Ein Mini-Tyrann möchte es werden, ein arroganter Möchtegern-Playboy erklärt sich bereit, und der dicke Issa heiratet rasch, um Imam werden zu können. Als er die Gebete vorübergehend leiten darf, schwingt er sich auf und umgibt sich gleich mit einer Riege aus jungen Anbetern, die strenge Sitten durchsetzen sollen (die Scharia).

Und dann haben wir den jungen, guten und fleißigen Arbeiter (nirgendwo steht, wie er heißt; N’tchou oder so ähnlich), der den Koran sehr gut kennt. Er setzt sich auch manchmal in die christliche Kirche zum Pastor, hat irgendwie die Jesus-Rolle und wird (verraten wir es!) vom Bürgermeister zum Imam bestimmt. Ein gutes Ende!

Und es verkündet der neue Imam:

Der Islam ist eine Religion der Liebe. Gott hat denselben Traum für alle Menschen. 

Das ist der Traum (le rêve) Gottes (Dieu). Was ist nun der Traum? Da war ich abgelenkt, doch ich meine, er habe gesagt: dass wir alle einander helfen, dass wir diese Welt zu einem Paradies machen können. Das wird schwer, solange es Intriganten, Egoisten und Ehrgeizlinge gibt und solange Verblendete ihre Länder groß machen wollen und Geldsäcke ihre Milliarden horten wie Dagobert Duck seinen Schatz. Sie meinen, vor dem Triumph zu stehen, doch sie werden scheitern; wenn nicht heute, so morgen oder übermogen (symbolisch gesprochen). Ihre Zeit läuft ab.

Morgen mehr. 

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