Das Leben auf Erden
La vie sur terre ist ein zur Jahrtausendwende gedrehter Film von Abderrahmane Sissako, den wir uns auf Youtube anschauen können. Die Metropolen der Welt fiebern dem 31. Dezember 1999 entgegen, was fünf junge Männer in der Kleinstadt Soloko in Mali im Schatten am Radio mitverfolgen. Die anderen kommen auf den Rädern vorbei, vor allem Abderrahmane und Nana.
Schön hat das Shangols in seinem sino-französischen Kinoblog geschrieben, der übrigens älter ist als meiner. Am 22. März 2011 kommentierte er (oder sie?) den Film und hob hervor, dass sich
die beiden Hauptpersonen unaufhörlich auf ihren Fahrrädern begegnen. …. dieses Hin und Her rhythmisiert die Bewegung und ist das Herz des Dorfes.
Man trifft sich und plaudert, so wie etwa in Ferrara oder in Freiburg und Marburg.
Zur Handlung:
An der Schwelle zum 21. Jahrhundert kehrt der in Frankreich lebende Regisseur Abderrahmane Sissako in das kleine Dorf Soloko in Mali zurück, um seinen Vater zu besuchen. Er trifft auf Nana, ein junges Mädchen, das auf der Durchreise ist. Er wandert durch die Straßen, über die Plätze und Felder. Es ist der Beginn einer Meditation über die turbulenten Beziehungen zwischen Afrika und Europa. Das Leben im Dorf läuft friedlich weiter.
Das hat der Regisseur selber geschrieben anlässlich der Viennale, des Wiener Filmfests vergangenen Oktober, das den Film wieder zeigte, der also einen Abschnitt seines Lebens zeigt. Sissako wurde 1961 geboren und lebt nun in Frankreich. Sein Film hat keine Untertitel. Gesprochen wird der Dialekt dort im Nordwesten Malis, und Französisch hört man auch ein paar Male. Doch man versäumt nichts, man begreift das Wenige, das passiert. Ein paar Männer versuchen, mit Frankreich telefonisch verbunden zu werden; ein Fotograf wartet auf Kunden; Tiere werden vorbeigetrieben. Nana, das junge Mädchen auf dem Rad, ist einfach entzückend! Ihr lila Turban ist eine Sensation!
Sissako ist nun ein prominenter afrikanischer Filmemacher, der durch Timbuktu bekannt wurde. Ein Vorreiter war Souleymane Cissé, auch er aus Mali, der 1940 geboren wurde. Wie Sissako bildete er sich in Moskau aus. In Frankreich wird er hochgeschätzt. (Achtung, Wikipedia deutsch: Cissé hat noch ein paar Filme gedreht, bei euch ist der letzte von 1995! Ihr wollt immer Spenden, am liebsten Millionen, dafür könntet ihr aber auch besser arbeiten. Ihr müsst nur die anderen Wikipedias konsultieren. Und jemanden kennen, der Französisch kann.)
Hier unten sehen wir, wie der »junge« Sissako im Kanu sein Heimatdorf Soloko erreicht.
Lassen wir Abderrahmane Sissako noch etwas reden, wie er sich bei der Viennale über seinen Film äußerte:
Ich gehöre zu einer Kultur, in der ich mit fünfzehn Jahren erfuhr, dass ich am 13. Oktober Geburtstag hätte. Daten bedeuten für uns nicht sehr viel, und die Wahrnehmung von Zeit ist in Afrika eine andere. Ich persönlich wünsche mir, dass das 21. Jahrhundert nicht »das Jahrhundert Afrikas« wird, sondern das Jahrhundert der ganzen Welt. Und ich wünsche mir, dass diejenigen, die leiden, weniger leiden müssen. Wenn ich als Afrikaner gefragt werde: »Wie ist das Leben mit dem Schmerz?«, ziehe ich es vor, meinen Schmerz für mich zu behalten und gefragt zu werden: »Wie ist das Leben?« …
Der Brief an meinen Vater zu Beginn des Films ist Teil meiner Antwort: »Lieber Vater, es überrascht Dich vielleicht, einen Brief von mir zu bekommen. Lass mich kurz sagen, dass alles in Ordnung ist, und ich hoffe, dass es auch Dir gut geht. Gegenüber der Nachricht, die ich Dir durch Jiddou zukommen ließ, gibt es eine Änderung: Ich werde sehr bald bei Dir in Soloko sein: die Sehnsucht, Soloko zu filmen, das Leben, das Leben auf der Erde, und die Sehnsucht, zu reisen. (…) Umso mehr, als das Jahr 2000 naht und sich nichts zum Besseren verändert haben wird; aber das weißt Du besser als ich. Ich frage mich immer: Haben mich die Erfahrungen, die ich fern von Euch mache, alles von Euch vergessen lassen?«
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