Künstlernamen
Bei Durchsicht des Schweizer »Kunst-Bulletin«, das 10 Mal im Jahr in Zürich erscheint, sprangen mir die zauberhaften, fremdartigen Namen einiger bildender Künstler ins Auge, und ich möchte ein paar von ihnen wiedergeben, Diese Namen allein sind schon hohe Kunst!
Fangen wir auf Seite 28 an, bei Preisträgern, die in diesem Fall allesamt Preisträgerinnen sind.
Kim Anni Bassen ist die neunte Stipendiatin von Kurator*in, einem Projekt der Gebert Stiftung für Kultur. – Kelechi Amaka Madumere, geboren 2000, hat den Helvetia-Kunstpreis 2025 gewonnen, der mit 15.000 Franken dotiert war. – Die Fotografin Shirana Shahbazi, 1974 geboren und in Zürich lebend, erhielt den Prix de la Société des Arts de Genève. – Kapwani Kiwanga, eine kanadisch-französische Künstlerin (1979 geboren), gewann den Joan Miró Prize, für den es immerhin 50.000 Euro gibt. – Lap-See Lam aus Schweden (1980 in Stockholm geboren) holte sich gleich 100.000 Euro für den Sieg im Lise Wilhelmsen Art Award.
Viele Ausstellungen endeten im August. Eine in der Kunsthalle Bern trug nur die Namen der Künstler: Melvin Edwards, Tschabalala Self, Tuli Mekondjo. Im Kunstmuseum Thurgau sind noch bis zum 9. November Werke von Thi My Lien Nguyen zu sehen. Klingt für uns exotisch, ist aber veielleicht ein ziemlich normaler vietnamesischer Name. Die Künstlerin ist 1995 geboren, und Gestures of Return als Ausstellungstitel klingt ja auch suggestiv. Das ist in Warth, in der Kartause Ittingen. Da sollte ich einmal hinfahren.
Dieses Kunst-Bulletin hat mein Interesse geweckt. Seit 24. August gibt es im Haus der Elektronischen Künste (HEK) in Münchenstein bei Basel eine Ausstellung über Quantenphysik. Da muss ich auch hin!
Ist schwierig mit moderner Kunst. Es fing ja um 1915 mit Picasso und Braque in Paris an, doch vorher hatte es schon die Impressionisten gegeben und Van Gogh, die anders malten, grell und gefleckt und verbogen und verschattet. Es ging nicht mehr um die möglichst originalgetreue Wiedergabe eines Motivs, sondern um den subjektiven Blick. Der Künstler sah etwas durch seine Brille. Die Wissenschaft musste das auch erleben: Die Quantenphysik, die 1925 vollendet war, sagt, dass bei den allerkleinsten Teilchen der Beobachter die Entscheidung darüber trifft, wie die Welt aussieht. Deine Messung hält das Elektron fest, das vorher überall war und nirgends.
Dann monochrome Farbflächen (Mondrian), ein Alphabet auf eine Zeitungsseite geschmiert (Paul Klee), Comics von Warhol, Installationen und Alltagsobjekte (Marcel Duchamps), und damit wollte die Kunst uns wieder nahekommen und etwas aussagen über diese zunehmend chaotische Welt, die sich immer mehr auf etwas Anzuschauendes kapriziert; das gedruckte Wort ist auf dem Rückzug. Heute übersetzt die Kunst Konzepte und Trends der Gesellschaft in Kompositionen von Materialien. Wir sollen in ihnen etwas sehen. Dabei hilft es, wenn Künstler:innen des Wortes mächtig sind, einen schicken Titel finden und ein paar abgehobene Sätze. Selbsterklärend sind Kunstobjekte nur zu selten.
Und dann kommen die Leute mit Geld, die Sammler, und bereden sich mit den Galeristen, und Künstler werden zu Genies (v)erklärt und bekommen märchenhafte Summen für ihre Werke, die Sachkundigen sind unter sich und tauschen sich aus, das Cüpli (Glas Champagner) in der Hand, aber so ist der Mensch, er formt Eliten und regelt den Zugang zu ihnen. Man möcht‘ halt immer was Besonderes sein.
Ich jedenfalls liebe es, wenn ein Museum leer ist und ich in der Stille eines Ausstellungsraums stehe und einfach nur schaue. Ich und das Objekt. Auch wenn sich kein Aha-Erlebnis einstellt, verliere ich mich so auf angenehme Weise für ein, zwei Stunden; oder ich bin schön bei mir, wenn man so will.

