Noch eine wichtige Telefonnummer

John Paul Martinez erzählte Anfang Oktober dem Dokumentarfilmer Anthony Chene sein Leben. Der stämmige Latino, im Gesicht tätowiert und vielleicht 50 Jahre alt, war als Jugendlicher in Gangs (gewalt-)tätig und die meiste Zeit im Gefängnis: Das war seine Heimat. Dann gab es einen Umschwung, der mich zu Tränen rührte (und viele Youtube-Kommentatoren auch), und er hatte mit einer Telefonnummer zu tun.

John Paul Martinez hatte eine harte Kindheit und suchte in den Gangs das, was ihm sein Vater (immer auf Arbeit oder mit Frauen) und seine Mutter (überfordert) nicht geben konnten. An einem Party-Abend griff ihn ein Mann an und jagte ihm eine Kugel in den Kopf, was er knapp überlebte. Da bekam der junge Mann schon einen Vorgeschmack:

Mein Herz lief schnell, dann immer langsamer … Und schlagartig war ich an diesem Ort. Da waren viele Stufen von immer tieferer Dunkelheit, und ein verrückte Angst packte mich. Jemand schob mich von hinten in noch tieferes Dunkel, und ich hörte familiäre Stimmen, die aber riefen: ›Hilf mir! Hilf mir!‹ Dorthin hatte mich Gott wohl geführt, um mir zu zeigen, wo es enden würde, wenn ich so weitermachte. 

John Paul Martinez indessen nahm sein altes Leben wieder auf, das ihn immer wieder ins Gefängnis brachte. Dort wurde für ihn gesorgt, das war eigentlich sein Zuhause. Wir schreiben das Jahr 2005. Überraschend wurde er freigelassen: Man konnte ihm nichts beweisen, es war der 50. Tag seiner Haft. Er ging zu seiner Mutter, die ihn begrüßte und bat: »Kannst du mit mir reden?« Er redete die ganze Nacht. Dann bat ihn die Mutter, zu seinem Bewährungshelfer zu gehen.

Der war nicht da, dafür ein anderer Beamter, der John Paul fragte, ob er so weitermachen wolle. Ob er es nicht satt habe? Er wolle ihm die Nummer eines christlichen Männerheims geben, da könne er hin. (Der junge Mann lachte innerlich: christlich? Haha.) Er schrieb die Nummer auf und gab sie dem jungen Mann. Danach fuhren Martinez und seine Mutter in Richtung San Bernardino – doch sie nahmen ein falsche Straße. Egal.

John Paul Martinez:

Da hörte ich eine Stimme, vermutlich Gottes Stimme, aber es war mehr ein Flüstern: »Der Lohn der Sünde ist der Tod.« Ich spürte plötzlich wieder dieselbe Furcht wie damals. Meine Mutter lenkte den Wagen, und ich brach in Tränen aus und konnte nicht aufhören. Ich wollte zu einem Telefon. Das war draußen, man brauchte Kleingeld. Ich rief die Nummer an und sagte: »Habt ihr Guys ein Zimmer frei?« Die Antwort war: »Wir haben nichts frei, doch für dich machen wir etwas frei.« Wir fuhren also zu dem Männerheim, ich hatte nur eine kleine Tasche vom Gefängnis dabei. 

Da kamen zwei Männer auf mich zu, tätowiert und kahl. Ich fasste es nicht: Einer der beiden umarmte mich und sagte: »Wir lieben dich, Bruder, und wir haben ein Zimmer für dich.« Ich wurde zurückgebracht in die Zeit, als ich ein Kind war. Das war es, was ich immer gesucht hatte. Die beiden kamen von einem echten Ort der Liebe. Später fragten sie mich, ob ich Jesus Christus als meinen Retter akzeptieren würde? Ich dachte mir, das kannst du ja mal versuchen.

Wir sollten beten. Da waren auch andere. Ich ging auf die Knie und betete, und etwas kam von oben, durchdrang mich und berührte mein Herz. Ich fing zu weinen an. Viel später war ich alleine und ging nach draußen. Da waren die anderen. Wie lang war ich da drinnen? Sechs oder sieben Stunden, sagten sie. 

John Paul Martinez ist sich sicher, dass ihm Gott vergeben hatte; und so gelang es ihm auch, anderen zu vergeben. Einen Monat später wurde ihm gesagt, er solle das Evangelium predigen. Er hielt sich für unwürdig und versuchte dagegen zu argumentieren, doch er hörte nur:

Aber trotzdem habe ich dich berufen.

Nun war er frei. Seitdem sind 20 Jahre vergangen, er blieb seinem Auftrag treu und brachte viele zum Herrn. Sein Schlusswort:

Eine Beichte ist nötig, ein Geständnis. Gott wird immer etwas auf deinen Weg schicken, um dich zu retten, nur erkennen es die meisten nicht. Ich persönlich weiß, wohin ich unterwegs bin, und das ist zu Ihm.  

 

∑ Π ∑

Natürlich hören wir das nicht gern. Wir meinen vielleicht, man wolle uns manipulieren und denken daran, was sich die Kirche in den vergangen Jahrhunderten zuschulden hat kommen lassen. Vergessen wir dabei die christliche Lehre nicht, die auf der Liebe basiert. Was gibt es Schöneres? Manchen gelingt es, diese Lehre zu leben. Und alle TestpilotInnen sagen, dass es darum geht im Leben. Die Liebe. John Paul Martinez hat etwas erlebt wie Paulus damals vor Damaskus; freuen wir uns doch darüber!

Zwei Kommentatorinnen sagten, sie hätten ihren Sohn jung verloren, Johns Geschichte hätte sie getröstet. Ein junge Frau schrieb, sie habe gerade ihr Makeup aufgetragen, als sie die Geschichte sah, und sie habe sie so gerührt, dass sie noch einmal von vorn beginnen musste.

Anthony Chene hat immer diese wunderbaren Bilder von nächtlichen Städten mit Autoverkehr, und ich habe wie stets versucht, es ihm gleichzutun.  

 

 

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