Unser ZU VIEL
Der Kohlendioxid-Eintrag in die Atmosphäre ist 2023 und 2024 auf nie geahnte Höhen gestiegen, und geflogen wird wie noch nie (mega culpa!). Medien und manche unserer TestpilotInnen sehen Katastrophen am Horizont, vielleicht erst gegen Ende des Jahrhunderts: Kriege, Flüchtlingsströme und Dezimierung der Erdbewohner. Es ist nicht unwahrscheinlich.
Wächst ja heute schon die Kriegsgefahr, und nur 20 Prozent der Erdbevölkerung (gut gerechnet) leben in relativem Wohlstand; der Rest muss mit ein paar Dollar am Tag durchkommen. Munter werden Waffen produziert und verkauft, und Scheichs bauen Hochhäuser, weil sie nicht wissen, was sonst mit ihrem vielen Geld anfangen. Unsere westlichen Länder sind übermotorisiert und überversorgt: Überall liegen Kleider säckeweise vor den Second-Hand-Kleidercontainern. Und weiter wird produziert. Und weiter. Natürlich wird die Erderwärmung weltweit verheerende Schäden verursachen.
Jetzt schon sterben jährlich 500.000 Menschen an der Hitze und 2,5 Millionen durch Luftverschmutzung. Die Dürre wird zu großen Wanderungsbewegungen führen, und woanders werden Städte überflutet werden, denn der Meeresspiegel steigt. Und die Konferenzen zur Eindämmung des Problems (fossile Energieträger nicht verbrennen, weniger Lebensmittelverschwendung, weniger Fleischkonsum) zeitigen nur halbherzige Ergebnisse. Nicht nur der Papst vermisst politischen Willen beim Klimaschutz.
Man sorgt sich darum, ob die Wirtschaft auch weiter wächst; indessen sollte man alles etwas herunterfahren. Doch der Profit ist heilig, und um ihn zu sichern, wird auch viel eingespart. Der US-Präsident eliminiert jeden Tag etwas, das gut ist; dennoch boomt die Börse, die keine Moral kennt. Sie will einfach Gewinne.
Bertolt Brecht (1898-1956) schrieb gegen Ende seines Lebens das lange Gedicht Das Manifest. Ein Auszug aus diesem apokalytischen Entwurf, es ist das Finale (zu Beginn meint er die Bourgeoisie, das Bürgertum):
Als diese Klasse nämlich mit neuem System und Besitztitel
Gütererzeugende Kräfte wie nie hervorgehext hatte
Glich sie dem Zauberer, der die unterirdischen Mächte,
Die er heraufbeschworen, nicht mehr zu bändigen wusste.
So wie Regen die Saaten befruchtet, aber nicht haltend
Ganz sie ersäuft, vermehren die gütererzeugenden Kräfte
Wachsend, stetig der herrschenden Klasse Vermögen und Einfluss.
Stetig weiterwachsend jedoch bedrohn sie die Klasse.
(…)
Riesige Krisen, in zyklischer Rückkehr, gleichend enormen
Sichtlos tappenden Händen, greifend und drosselnd den Handel
Schüttelt in stummer Wut Betriebe, Märkte und Heime.
Hunger von alters plagte die Welt, wenn die Kornkammer leer war –
Nunmehr, keiner versteht es, hungern wir, weil sie zu voll ist.
Nichts in der Speise mehr finden die Mütter, die Mäulchen zu füllen
Hinter Mauern derweil fault turmhoch lagernd das Korn weg.
Ballen auf Ballen türmt sich das Tuch, doch frierend durchzieht die
Lumpengehüllte Familie, von heute auf morgen geworfen
Aus dem gemieteten Heim, die Viertel ohne Bewohner
Keiner, sie auszubeuten noch willig, finden die Armen.
Rastlos war ihre Arbeit, nun ist die Suche nach Arbeit
Rastlos. Was ist geschehen? Der gigantische Bau der Gesellschaft
Teuer, mit solcher Mühe gebaut von vielen Geschlechtern,
Hingeopfert, sinkt zurück in barbarische Vorzeit.
Nicht ein ZU WENIG ist schuld, das ZU VIEL macht ihn wanken.
Nicht zum Wohnen bestimmt ist das Haus, das Tuch nicht zum Kleiden
Noch ist das Brot zum Essen bestimmt: Gewinn soll es tragen.
Gewinn; Profit. Ein Gelehrter fragte auf Instagram, warum heutzutage nur immerzu übers Geld geredet werde? In den 1970-er Jahren sei das anders gewesen. Unsere Gesellschaft (zumindest hier bei uns) ist eine technikbesessene, rechnerische Gesellschaft geworden, der das Mitgefühl abhanden gekommen ist. Der Hunger auf der Welt könnte abgeschafft werden, wenn man es wirklich wollte. Nach Hochrechnungen sollen bereits 600.000 Menschen durch den Ausstieg der USA aus der Entwicklungshilfe gestorben sein, zumeist Kinder. Auch ließ man Lebensmittel planmäßig verrotten.
Noch einmal Brecht: der letzte Vers seines Gedichts Vom Geld:
Dem Geld erweisen die Menschen Ehren
Das Geld wird über Gott gestellt.
Willst du deinem Feind die Ruhe im Grab verwehren
Schreibe auf seinen Stein: Hier ruht Geld.

