Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft ist ein Stück von Jean-Paul Sartre (1944). Daran musste ich denken, als mir die Geschichte von Alexandra Cordes und Michael Horbach unterkam. »Die ist doch erschossen worden!« sagte mir jemand. Von ihrem Partner. Das war vor fast 40 Jahren auf ihrem Landgut in Châteauneuf-du-Pape. Ich hatte dazu eine Menge Assoziationen. Gibt einen kleinen Beitrag.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Sie, Alexandra Cordes (das war ihr Künstlername), schrieb um die 60 Romane eher einfacher Bauart, die sich aber blendend verkauften. Er, ihr Partner Horbach, hatte sie zum Schreiben gebracht. Auch er schrieb Bücher, war aber weniger erfolgreich, spielte Hemingway mit einer Waffensammmlung, hatte Depressionen und Wutanfälle. Sie ordnete sich ihm unter, wie es heißt, sie hielt ihn aus. Die beiden lebten in Südfrankreich, im Paradies. Und irgendwann, vermutlich nach einer schlimmen Auseinandersetzung, erschoss er sie und richtete dann die Waffe gegen sich selbst und starb später. Sie war 51 Jahre alt, er 62.

Zwei Wochen davor (im Oktober 1986) war der Karl-May-Regisseur Harald Reinl von seiner Partnerin, die betrunken war, erstochen worden. Auch in einem Paradies: auf Teneriffa. »Die Hölle, das sind die anderen« heißt es in dem Sartre-Stück. Sagen wir es so: Durch zu enges Beisammensein kann es ziemlich höllisch werden, zumal wenn Leute in Ausland leben ohne viel Kontakt zur Bevölkerung. Dann wird es schnell zu eng. Aber dazu muss man nicht im Paradies leben. Beziehungen ohne viel Außenkontakt werden problematisch, vor allem wenn einer der Partner instabil ist.

Ein früherer Journalisten-Kollege lernte ein Model kennen, ging in den Ruhestand, und die beiden kauften sich ein Haus in Spanien in den Bergen mit Blick aufs Meer. Er, der früher schon gern getrunken hatte, trank nun etwas mehr, es war für sie nicht mehr tragbar; sie verkauften das Haus, und jeder mietete sich eine extra Wohnung. Er ist dann bald danach gestorben, weil er unter der Trennung litt. Sie trafen manchmal ein paar Engländer, doch das war’s auch schon.

Ja, die Isolation, die Enge, die Bedrückung; die Ausweglosigkeit. Da hilft kein Luxushaus und kein gut gefülltes Bankkonto.

Es gibt auch andere geschlossene Gesellschaften: Ähnlich Denkende im Netz, die einander bestätigen und einander möglicherweise auch radikalisieren, ohne dass eine mahnende Stimme dazwischenträte (die sowieso niedergebrüllt werden würde). Allein in ihrem Zimmer lesen diese Leute Posts und Parolen, fühlen sich mächtig und auf der richtigen Seite. Sie sind alleine, führungslos und leicht lenkbar.

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