Bunker statt Bungalow

Der albanische Diktator Enver Hoxha ließ in den 40 Jahren seiner Amtszeit (1945–1985) zwischen einer halben und einer Million Bunker ins Erdreich setzen. Heute muss man, wenn man die Bevölkerungsdichte Albaniens nennt, sagen: 120 Menschen pro Quadratkilometer und 20 Bunker. Nun wissen wir, was Bunkermentalität ist. Diese grauen Betonpilze stehen nicht nur da;  man hat das Gefühl, sie sähen einen an. 

  

Im Kunst Raum Riehen – neben der Fondation Beyeler – haben der 1979 geborene albanische Künstler Niku Alex Muçaj (auf dem Bild) und sein ebenfalls junger Kurator Elian Stefa eine Ausstellung über die Bunker ausgerichtet, die bis zum 7. September zu sehen ist. Sie heißt Concrete in Common – Albania’s Bunker Legacy. Na ja, Concrete bedeutet Beton, und in Verbindung mit in common heißt das wohl Gemeinsamer Beton. Muçaj lebt und studiert in Basel, spricht gut deutsch und italienisch, der Kurator englisch und italienisch, und wir sind in Basel-Stadt. Ganz so okkult-englisch hätte der Titel aber nicht ausfallen müssen.  

Es gibt Fotos von den Bunkern, wir sehen Interviews auf Video und auch ein Video mit Planierraupe, zu dem eine Frau Aristoteles zitiert. Wir sehen auch einen Geiger, der auf drei umgedrehten Bunkern geigt. Muçaj hat für seine Installation Konverskëne in Tirana drei Bunker vom Typ Qënder Zarri zu einer Open-Air-Bühne umfunktioniert, und bei der Vernissage Mittwoch abend gab es um 20.50 Uhr sogar eine längere Live-Schaltung zu einigen Solo-Cellisten in Tirana.    

Aus einem Video der Ausstellung: Geiger in Tirana

Es gab drei Bunkertypen, die dem westlichen T-Shirt-Käufer bekannt vorkommen mögen: S für den kleinsten (Platz für Soldat mit Waffe), M für die Lösung, die bis zu vier Personen Platz bot und L – Sonderanfertigungen. Mittlerweile haben die Albaner selber aus Bunkern Hot-Dog-Stände und andere kleine Läden gemacht, und wer sich in einem mit seiner Freundin treffen will, hat die Auswahl, sollte aber eine Decke mitbringen. 

Im Erdgeschoss des Kunst Raums ist »eine Reproduktion eines albanischen Wohnzimmers während der Diktatur« aufgebaut. Im englischen Text auf dem Begleitblatt heißt es sogar: »a typical Albanese home during the years of the dictatorship«. Auch andere Besucher der Vernissage waren sich einig, dass es sich da um das Wohnzimmer eines höheren Funktionärs handeln müsse. Mein Bertelsmann Weltatlas vermerkt auf den 30 Zeilen, die er im Jahr 1954 für Albanien übrig hat, ein Eisenbahnnetz von 117 Kilometern Länge und ein Straßennetz von 2200 Kilometern; was für Straßen wohl.  Die meisten Albaner werden recht arm gewesen sein und sind es sicher auch heute noch.

 

Aber die Ausstellung ist schön gemacht, und wenn man eine gute Stunde erwischt und alleine in den Stockwerken herumwandert, wird man davon profitieren. Kunst kann ja nur anregen; denken muss man selber. Von albanischen Mitwirkenden der Ausstellung erfuhr ich, dass die albanische Sprache ziemlich alleine dasteht und dass es 3,5 Millionen Albaner in Albanien gibt, aber weltweit 10 Millionen. Das Gefühl von Isolation gab es immer.  

Dann kam der Diktator daher, der wie viele Machtmenschen Paranoia  entwickelte. Er handelte dann wie ein Borderline-Patient, der Beziehungen selbst beendet, bevor er verlassen wird. Hoxha brach 1948 mit Tito und Jugoslawien, verbündete sich mit der UdSSR und wandte sich 1961 wieder von ihr ab, fand dann in China einen neuen großen Partner, um 1977 auch da einen Schlussstrich zu ziehen. Albanien war danach ein völlig isoliertes Land, das sich nur von Feinden umgeben sah.

Auf einem Informationsblatt heißt es, »gegen den Rat seiner Militärstrategen« habe der Diktator die Bunker gesät – wie einer, der sich immer kratzbürstig gibt und seinen Wunsch nach Nähe gut versteckt. In der englischen Version ist das schön ausgedrückt: Man habe sich auf eine Landinvasion vorbereitet, »but no one bothered to come …«. Man wappnete sich gegen etwas, das man womöglich herbeisehnte.  

Da können wir auch nachdenken, ob unsere Bungalows und Eigenheime — manchmal anthrazitgrau mit kleinen Fenstern, festungs- und bunkerartig — sowie unsere Autos, diese panzerartigen dunklen Fahrzeuge, nicht  signalisieren, dass auch wir uns am liebsten einbunkern. Man geht durch schöne Siedlungen spazieren und sieht keinen Menschen.     

Aber nun wieder konkret: Mein Freund Fritz Schütte aus Berlin ist schon öfter nach Albanien gereist und hat einen langen Radiobeitrag über Radio Tirana verfertigt, der am 19. September um 22.03 Uhr im Kulturprogramm des Südwestrundfunks läuft, SWR2. Unbedingt notieren und anhören, Fritz hat sich jahrelang mit dem Thema beschäftigt und ist dafür viel umhergereist. Wir dachten schon, der Beitrag würde nie das Licht der Welt erblicken. Aber doch. Wenden wir Albanien unser Interesse zu! (Und dazu noch, hinterher, eine Geschichte aus der friedlichen Parallelwelt der Ostschweiz.)

2 Kommentare zu “Bunker statt Bungalow”

  1. Fritz

    Lieber Manfredo,
    http://www.amusingplanet.com/2012/03/abandoned-bunkers-in-albania.html
    Hier sind ein paar schöne Bunker zu sehen. Jetzt wäre interessant zu wissen, ob sie S, M oder L sind.
    Danke für den Hinweis auf die Sendung.
    Bis bald Fritz

  2. Regina

    Lieber Manfred,

    gute Idee, diese Bunker kuenstlerisch wiederzuverwerten!

    Auch in Daenemark: Hitlers Atlantikwall! Die meisten Bunker liegen aber unversehrt in der Kuestenlandschaft und werden vom Kuestenstreifen immer weiter einverleibt.

    Gruesse, Regina