Haste mal fünf Euro?

Was mir in diesem Jahr noch auffiel: Die Bettler Deutschlands sind mit einem Euro nicht mehr zufrieden. »Haste mal ne Mark?«, das ist lange her. Auch mit zwei Euro sind sie nicht mehr zufrieden, am liebsten hätten sie ein Scheinchen: fünf. 

Zwei Mal ist mir das in der zweiten Jahreshälfte passiert. Ich gab zwei Euro, und der Bettler setzte nach, insistierte: Hey, du hast sicher noch mehr, come on! Er solle gefälligst damit zufrieden sein, herrschte ich ihn an. Klar, Inflation, gestiegene Lebenshaltungskosten, das schlägt überall durch. Die Bettler haben auch von der aggressiv auftretenden Geschäftswelt gelernt: nachsetzen; wer zwei gibt, lässt sich auch zu fünf breitschlagen, ein Scheinchen, hat man wohl übrig.  

Die junge Frau in der Hauptstraße von Santa Marinella freut sich auch über einen Euro, und auch der Mann mit seinem Hund, der immer neben dem Supermarkt sitzt und von mir immer etwas bekommt, grüßt nett und freut sich auch. In Italien herrscht ein anderes Preisniveau, schon klar. In Indien, überhaupt, kann man mit zwei Euro den ganzen Tag durchkommen, und manchmal kostet eine Übernachtung nur 240 Rupien oder drei Euro. Aber was hilft’s? Wir sind ja nicht in Indien.  

Dann war da einer an einer italienischen Autobahnraststätte, der kam sofort her und wollte Socken verkaufen. Jammerte rum, aber auch aggressiv. Natürlich habe ich es nicht geschafft, ihn heimzuleuchten. Gab ihm zwei Euro, weil ich dachte, sonst ist er sauer und macht was an meinem Auto, wenn ich einen Kaffee trinke. Das hat mich geärgert. Später sagte ich ihm, er solle aufpassen, sonst kommt die Polizei. Er verkaufe doch nur Socken, sagte er. Leider setzen sich wie überall die Aggressiven durch. Das nächste Mal werde ich hart sein. Ha!   

Ich habe der Welthungerhilfe eine monatliche Spende gewährt, nicht viel, aber doch eine Summe, ich glaube 20 Euro. Trotzdem kommen immer wieder Briefe, in denen es heißt, es wäre toll, wenn ich meinen Beitrag aufstocken würde. Man will etwas Gutes tun, aber das reicht anscheinend nicht. Man kann sich heute nicht mehr so einfach loskaufen. Wer einmal ja sagt, ist nicht schon gerettet. Die Konsumwelt sagt: Wer einmal ja sagt, sagt auch ein zweites Mal und vielleicht ein drittes Mal ja. Man muss das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Da müssen wir wohl Neinsagen lernen.      

 

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